1.Akt. Das Fest

Kevenn hatte die Augen geschlossen und spürte dem befriedigenden Gefühl der warmen Mahlzeit nach. Eine hübsche, träge Melodie spielte in seinem Kopf, die ihn an Knoblauch erinnerte, doch er war viel zu faul, um sie sich zu merken.
Er hörte, dass die anderen bereits aufbrachen ... Sie waren eben alle keine Genießer. Zumindest von Quinn hätte er mehr erwartet, die so niedlich aussah, wenn sie ihren Löffel ableckte.

Kevenn ließ sein Geschirr am Feuer stehen und raffte sich ebenfalls auf. Anstatt sofort zum Rest der Gruppe aufzuschließen, füllte er noch seine Wasserflasche am Brunnen. Die anderen würden ihm schon nicht davonlaufen.
Farahim kam ihm entgegen. Sie schien die Gruppe nicht zu begleiten. Er nickte ihr freundlich zu, knapp genug jedoch, um nicht mit ihr sprechen zu müssen. Wenn sie nun wieder ihre eigenen Wege gehen sollte, dann war es ihm auch recht.

Ach, mit vollen Magen marschierte es sich so schwer!
Na los, Kevenn, willst du nun dein Lied schreiben oder nicht?
Er legte etwas an Tempo zu, und bald darauf sah er unter sich auf dem steilen Pfad Quinns langes, schwarzes Haar im Wind flattern, und die Rückansicht der Dukarim erfreute seine Sinne.

Quinns Weg führte sie den bekannten Pfad hinab. Bald erreichte sie den Vorsprung, an dem sie den Kindern gefolgt waren. Noch immer stiegen grüne Schwaden aus der Tiefe auf, jedoch gab es hier kein Lüftchen, der die Wolken auf sie zu treiben würde. Würden die anderen ihr folgen.

Der Rest der Gruppe war noch am Überlegen, als Quinn sich auf den Weg in die Tiefe machte und der Zaubersänger stand noch unschlüssig am Rand des Abgrunds.

"Der grüne Nebel ist ein Problem", stellte Rakon das Offensichtliche fest.
"Ich könnte versuchen, einen Weg hindurch zu bahnen. Oder hat jemand eine bessere Idee?"

Vorsichtig, aber dennoch mit einer spielerischen Leichtigkeit suchte Rayén sich einen Weg abwärts zwischen dem ganzen Geröll hindurch, das auf ihrem Weg lag. Das Ganze als Pfad zu bezeichnen war eine Übertreibung und so kam sie nicht mehr so problemlos voran wie es noch auf dem ersten Teil der Fall gewesen war.
Der schweflige Gestank biss ihr nun auch wieder in der Nase und argwöhnisch blickte sie auf die zäh herumtreibenden grünen Schwaden. Was in Gottes namen hatte sie dazu bewegt hier nochmal runterzugehen? Leise fluchend ging sie in die Hocke und Sprang geschickt einen kleinen Absatz herunter. Desto tiefer sie kam, umso weniger Licht schien in den Schlund hinab und im dämmrigen Licht musste sie sich regelrecht anstrengen zu sehen, ob ihre Füße auf sicheren Boden traten.
Konzentriert wie sie war hatte sie sich gar nicht nach ihren Gefährten umgesehen und holte dies nun nach. Ihren Blick bergauf gerichtet sah sie Rakon, Kevenn und Minadea einen ganzes Stück weiter oben wie sie sich ebenfalls den Abhang hinabarbeiteten. "Weiß jemand wie tief runter es hier geht? Ich kann den Grund bislang nicht erkennen", rief sie den Anderen zu. Ihre Stimme echote unheimlich durch sie Stille und unwillkürlich kroch ihr ein kalter Schauer über den Rücken. Auf die Anderen wartend lehnte sie sich an einen Felsen und starrte grimmig in die Tiefe.

Ein kleineres Beben ließ die Erde erzittern, jedoch konntet ihr euch sicher halten, als kleiner Felsen in den ASbgrund stürzten. Kurz darauf stieg eine weiter dichte grüne Wolke aus der Tiefe herauf. Die Lage schien nicht besser zu werden und nur die Götter wussten, wie viel Zeit den Dorfbewohnern an der Oberfläche blieb. Hoffentlich ließ sich etwas Brauchbares finden, was die Dörfler wecken würde.

"Hiauh!"
Kevenn hoffte, dass sein spitzer Schrei angesichts des Tuches vor seinem Gesicht von seinen Begleiterinnen überhört worden war.
Diese Erdbeben waren aber auch beängstigend! Hoffentlich würden keine Steine von oben herabfallen. Er war froh, dass immerhin seine kostbare Harfe verkleinert und sicher verstaut war, im Gegensatz zu seinem Kopf.

Er schloss zu Quinn und Farahim auf.
"Die Tiefe des Abgrunds ist eines seiner Mysterien. Die wenigen Bücher, die je darüber geschrieben wurden, bestehen lediglich aus den Theorien der sogenannten Gelehrten. Wir aber werden die ersten sein, die sich dieses Mysterium tatsächlich aus der Nähe ansehen!"
Er verkniff sich einen Seitenblick zu Farahim. Sie würde am Ende noch erraten, dass er die besagten Bücher nicht wirklich gelesen hatte, und sich nicht einmal sicher war, ob sie überhaupt existierten. Am Ende hatte ihr Volk es bereits zu Wege gebracht, hier zu forschen. Hoffentlich nicht - doch wer konnte schon wissen, was Leute mit Flügeln so den ganzen Tag taten? Da lobte er sich die Ellyll'Dukarim.
Er konnte nicht anders, als der besonders zauberhaften Quinn neben sich ein wohldosiertes Lächeln zu schenken.
"Quinn, ich denke darüber nach, dich in meinem Lied des Abgrunds zu erwähnen - ich überlege noch, ob als aus dem Elend errettete Jungfrau, oder als Feldforscherin, die in selbstloser Aufopferung die Wirkung hoher Knoblauchdosen gegen giftige grüne Dämpfe testet."

Rayén warf Kevenn einen beleidigten Seitenblick zu.
"Errettete Jungfrau? Dass ich nicht lache", grummelte sie und rümpfte die Nase bei dem Gedanken, er würde sie als hilflose Frau wahrnehmen- hatte er nicht gesehen, wie sie in der Höhle gekämpft hatte? Aber für geknickten Stolz war keine Zeit, so wie die Erde bebte und die grünen Schwaden durch die Schlucht zogen, daher ging sie nicht weiter auf Kevenns Worte ein.
"Bevor du dich deiner Lieblingsbeschäftigung widmest und unseren Mut in epischen Texten festhältst, würde ich gerne aus diesem Schlund heraus. Daher lasst uns weitergehen, ehe dieser Abgrund uns noch verschluckt und nie wieder ausspuckt."
Sie rückte ihr Tuch, welches sie sich über Mund und Nase gebunden hatte, nochmals zurecht und winkte dann den anderen ihr zu folgen. Wenn sie sich nicht beeilten, würde der Schlund sie wohl möglich noch mit Haut und Haar verschlingen.

Immer weiter geht der Weg weiter an der Felswand hinab. Die grünen Schwaden wurden hier dichter und verhinderten, dass man tiefer in den Schlund schauen konnte. Doch schien es, dass der Pfad wieder in der Wand verschwand.