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    Beitrag von Susanne Gavenis Fr Sep 16, 2016 6:08 pm

    Hier könnt ihr etwas zum 2. Abschnitt schreiben.


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    Beitrag von Earl Grey Sa Sep 17, 2016 7:29 pm

    So, ich hatte heute doch etwas Zeit Smile Bin sogar die erste bounce

    Zunächst war ich etwas überrascht, als von Tshirts und Plastikuhren die Rede war Very Happy Hat sich aber schnell gelegt.
    Eine weitere Frage war, warum Andion und seine Mutter immer noch zusammen wohnen, da es ihr doch solche Qualen bereitet, ihn um sich zu haben.
    Und auch, warum Andion nicht anfängt, die Schule zu schwänzen. Zu Beginn wirkte er auf mich auch viel jünger als 17; ich hatte einen etwa 12jährigen vor Augen.

    Insgesamt muss ich ehrlich sagen, dass ich den Anfang alles in allem etwas zu langatmig fand. Man erfährt zwar einiges, aber es sind auch viele Wiederholungen dabei. Die ewigen Monologe und das Selbstmitleid, die Schilderungen über seine "Abnormalitäten" und seinen Psychpatenvater waren irgendwann etwas zu viel des Guten für meinen Geschmack. Das hätte man auch etwas Straffen können und dennoch alles Wichtige übermitteln, finde ich. Vor allem wurde einiges öfter wiederholt. Auch die Anfangsszene im Unterricht und die Schlägerei, seine Angst in Betonhäusern usw. war mir etwas zu ausführlich, es war schon relativ bald klar, was die Aussage davon war.
    Und du hast es mit den Bildern wirklich etwas zu gut gemeint Very Happy

    Aber mich wundert es, dass Andion nie auf die Idee kam, er selbs könnte ein Elf sein; für mich war das auf der ersten Seite klar. Seine ungewöhnlichen Augen, seine Empfindsamkeit ... Vor allem als Kind flüchtet man sich doch gerne in Tagträume, und da ihn Ians Geschichten so begeistern ist es eher ungewöhlich, dass er sich selbst nicht in seinen Träumen als Elf sieht ...

    Nun, für mich war bereits sehr früh klar, dass Ogaire Andions Vater ist und er zumindest ein Halbelf. Daher empfand ich es als etwas anstrengend, dass Andion da nicht mal endlich drauf kommt und ich hatte fast das GEfühl, du hälst den Leser für dumm; da auch eigentlich die Handlung nicht wirklich fortschreitet finde ich drei Kapitel zu lang, um die Charaktere vorzustellen.


    Wie seht ihr das so?


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    Beitrag von Invece Sa Sep 17, 2016 10:59 pm

    So, jetzt habe ich gerade noch das 3. Kapitel fertig gelesen. In der Tendenz stimme ich Earl Grey zu. Wie ihr erscheint mir die Einführung etwas zu lang geraten. Vor allem aber zu Schwarz-Weiß.
    Wenn die Figuren in einer Geschichte so eindeutig den Polen Gut und Böse zuzuordnen sind, bekommt das Ganze für mich comic-hafte Züge. Der Geschichtslehrer, die Klassenkameraden - alles Ausgeburten der Niedertracht und bodenloser Gehässigkeit. Auf der anderen Seite dann der naive Gutmensch Andion, der im Selbstmitleid zerfließt - und der gütige Ian. Hier bietet sich für mich die Diskussion an, was einen lebendigen, spannenden Charakter ausmacht. Seine Festlegung auf + oder -? Vielleicht aber auch seine unterschiedlichen Facetten, von jedem etwas: also + und -!
    Noch ein Thema ist für mich: Wieviel Infos kann man ungestraft in einen Dialog packen, ohne dass er langatmig/-weilig wird? Mir war das Gespräch im 3. Kapitel z. B. zu Info-lastig.


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    2. Abschnitt: 1. - 3. Kapitel Empty Re: 2. Abschnitt: 1. - 3. Kapitel

    Beitrag von Earl Grey Sa Sep 17, 2016 11:39 pm

    Invece schrieb:Noch ein Thema ist für mich: Wieviel Infos kann man ungestraft in einen Dialog packen, ohne dass er langatmig/-weilig wird? Mir war das Gespräch im 3. Kapitel z. B. zu Info-lastig.
    Ja, das ging mir ähnlich.
    Es erschien mir hier, als sie der Dialog nur ein Mittel, um dem Leser Inforationen zu liefern, und weniger ein Dialog, der aus sich selbst heraus entsteht.


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    2. Abschnitt: 1. - 3. Kapitel Empty Re: 2. Abschnitt: 1. - 3. Kapitel

    Beitrag von Sue So Sep 18, 2016 12:45 pm

    Hallo!
    Also, mir hat der dritte Abschnitt im Großen und Ganzen gut gefallen. Es wurden, besonders in Kapitel 3, viele Fragen beantwortet, die ich mir gestellt hatte und ich habe keine Logiklücke finden können. Z.B. den Umstand, dass Ogaire so lange nach der passenden Frau suchen musste, fand ich ziemlich elegant gelöst!

    Oh, und ich mag Andion, und liebe seinen Namen! Den habe ich auch gleich gegoogelt und festgestellt, dass die Übersetzung erfunden ist. (Die fand ich übrigens etwas platt - ich kenne einen Haufen Hunde, die Hope oder Joy heißen...^^) Die wahre Bedeutung des Namens ist unbekannt.
    Andions Charakter finde ich sehr schön konzipiert. Nach dem zu urteilen, wie er bisher sein Leben verbracht hat, kann er ja nur ein Schwarzseher sein. Dabei ist er mir wirklich sehr sympathisch, nicht wie die typischen Weltschmerz-Gestalten, die man so kennt. Also, ich kann mich mit ihm identifizieren.

    Die Charaktere allgemein sind tatsächlich schwarz-weiß gezeichnet, das stimmt. Aufgefallen ist es mir allerdings nur bei Andions Mitschülern, und zwar nicht bei den Schlägertypen, sondern bei der anonymen Masse, die ihn nicht mag. Dafür hätte ich gerne noch eine genauere Erklärung gehabt - es gibt doch immer einen, der genauer hinsieht, und früher hatten Elfen und Menschen ja auch Kontakt. Aber andererseits ist das ja keine "Der Außenseiter findet Freunde"-Geschichte.^^
    Ian, den ich auch sehr sympathisch finde, hatte ich zuerst für einen Dryaden gehalten, weil er nach der Schlägerei so plötzlich auftaucht (aus der Eiche?), und weil er weiß, dass die Lage durch die Verletzung des Baumes entstanden ist, ohne, dass es ihm erzählt wurde (es sei denn, der Leser hat das nicht mitbekommen). Vor allem aber deshalb, weil er nicht diese seltsamen Augen hat. Später wurde mir dann klar, dass offenbar nicht alle Elfen diese Augen haben, sondern nur Ogaires Verwandte.
    Jedenfalls, mich hat es nicht gestört, dass die Charaktere entweder gut oder böse sind.

    Jetzt zur Handlung. Die Szenen ware mir überhaupt nicht zu lang; ich habe es gern, wenn man mir Zeit lässt, in eine Welt zu finden und ihren Alltag zu ergründen. Allerdings hätte Andion wirklich schon längst ahnen müssen, dass er kein Mensch ist; ja, geradezu auf Hinweise darauf warten müssen, denn man flüchtet sich ja gerne in andere Welten, wenn man in der aktuellen nur Negatives erlebt. Ein weiterer Hinweis ist, dass Andion die Gefühle anderer erspüren kann und weiß, dass Elfen das auch können. Naja, vielleicht ist ihm nicht klar, dass sich seine Wahrnehmung so grundlegend von der der Menschen unterscheidet (wie bei Rot-Grün-Blindheit oder meiner Gesichtsblindheit Wink ).
    Außerdem hat Ian einige Eigenschaften, die Andion schon längst hätten stutzen lassen müssen, so wie die Heilkunst. Hinzu kommt, dass er nichts über seine Vergangenheit erzählt.
    Ich wusste auch schon bei der ersten Erwähnung von Andions Vater, dass es sich nur um Ogaire handeln kann. Aber sowas konzeptionell anders zu lösen ist wirklich schwer. Ich habe ähnliche Probleme bei meinem aktuellen Projekt.

    Überhaupt gibt es einige Parallelen zu meinem Projekt. Wink Angefangen bei einem Jungen, der von seiner wahren Herkunft erfährt (ist ja nicht selten in der Fantasy), geht es weiter mit der "Beseeltheit", die den Bäumen zugesprochen wird, bis hin zu einer Art "Herz des Waldes"; eine ähnliche Energie gibt es bei mir auch, ich habe allerdings noch keinen Namen dafür und meine hat kein Zentrum. Dann hat mein Prota auch diese Empfindlichkeit gegenüber Eisen. Und er hat tatsächlich auch einen Mentor namens Ian! Very Happy Allerdings hat der nur eine Nebenrolle im Geschehen inne und ihre Bindung ist längst nicht so tief.

    So, ich glaube, ich werde heute noch weiterlesen! Very Happy
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    2. Abschnitt: 1. - 3. Kapitel Empty Re: 2. Abschnitt: 1. - 3. Kapitel

    Beitrag von Gotthelf So Sep 18, 2016 1:32 pm

    Halloo,

    nachdem das ja schon angesprochen wurde, möchte ich nur ein paar Worte über die Bilderflut verlieren: Auch ich denke, dass es hier etwas zu viel des Guten ist, allerdings nur minimal, denn all die Bilder und die dadurch etwas verzerrt dargestellte Realität heben den Charakter Andions sehr gut hervor. Nur finde ich das in diesem speziellen Fall problematisch.

    Ich habe generell ein Problem mit dem Charakter Andions. Seine Entscheidungen sind komplett irrational und lassen sich nur bedingt durch seine Andersartigkeit erklären. Erstens: Er muss doch nicht in die Schule, gerade wenn es in einem englischsprachigen Land geschieht, es gibt keine Schulpflicht, bzw. immer die Alternative "Homeschooling". Zweitens halte ich seine Passivität für übertrieben. Auf der einen Seite ist sein Verhalten unrealistisch (sage ich noch warum), auf der anderen Seite fragt man sich als Leser schon, wie so ein passiver Mensch überhaupt zu einem Protagonisten werden kann. Es gibt natürlich Protagonisten mit limitierten Möglichkeiten, aber sie müssen auch etwas tun , um Protagonist zu sein. Da du James Frey kennst, wird es dir bekannt sein, dass er davon spricht, dass die Figur an ihre Grenzen gehen muss. Ein Beispiel: Ich habe mal ein fiktives Werk über das Leben von Jesus gelesen, dort gab es eine Szene, in der eine wütende Menge in Nazareth ihn eine Klippe hinabwerfen will. Doch bevor es dazu kommt, "schüttelt" er sie von sich. Es ist klar, dass er niemanden umbringen wird, aber eine kleine Geste und seine Autorität erlauben es ihm, ohne einen Kratzer davonzukommen. Er hat limitierte Möglichkeiten, tut aber in deren Rahmen, was er kann. Andion tut dies nicht. Er muss sich natürlich nicht prügeln, er muss den Lehrer nicht anbrüllen, er muss nicht jedes Mal ausnutzen, dass die Leute eigentlich Angst vor ihm haben (wobei er das ja tun könnte, dazu später mehr), aber als er Kenneth das Messer aus der Hand gerissen hat, ist die Gefahr für die Eiche vorbei. Er kann einfach weggehen.

    Eine weitere Sache, die mir aufgefallen ist, ist die beinahe schon erschreckende Dummheit vieler Figuren. Andion wird zusammengeschlagen und der Direktor gibt ihm die Schuld? Wie beschränkt muss man sein? Und Andion selbst fällt keine Antwort ein, da muss erst Ian mit der Idee kommen, die drei Rüpel rauszuwerfen (die wahrscheinlich nicht nur auf Andion losgehen, sie mussten ja auch irgendwie anders negativ aufgefallen sein). Das klingt für mich ein bisschen nach den Harry-Potter Filmen und jeder Lehrer ist ein Snape oder eine Umbridge, und jeder Schüler ein Malfoy (mit Crabbe und Goyle).

    Diese beiden Dinge führen dazu, dass ich als Leser nicht einmal Mitleid mit Andion empfinden kann, ganz zu schweigen von Sympathie oder Empathie. Alles was ich tue, während ich lese, ist, den Kopf zu schütteln und mich zu fragen, wann er endlich etwas tut. Vor allem, da du ja an mehreren Stellen ausdrücklich schreibst, dass er ja die Kraft hat, sich zu wehren.

    Nun zu der Psyche:
    17 Jahre ist nicht sehr weit weg von dem, wo ich bin. Aus meiner Schule kenne ich persönlich 4 Fälle von intensivem Mobbing, mit 2 davon war ich eng befreundet. Alle waren unterschiedlich, doch keiner war wie Andion. Eins hat alle vereint: Sie wollten akzeptiert werden. Zumindest von einem Teil der Gesellschaft. Und sie haben nach etwas gesucht, das ihnen das ermöglicht.
    1. Fall: Max (Name geändert): Er war beleibt, nicht sehr hübsch, bohrte in der Nase und hatte es nicht so mit der Hygiene. Ideales Ziel für's Mobbing. Er hat sich nie beschwert, sondern quasi alles in sich hineingefressen, ein wenig wie Andion. Allerdings musste er sich Tag und Nacht um seine schwerbehinderte Schwester kümmern, und alles was ihm in der Schule passierte, war gar nichts im Vergleich zu den Mühen, die er daheim auf sich nahm. Ihm war es auf gut deutsch wurscht. Aber er war hervorragend in der Schule, und er verwehrte niemandem eine Antwort auf eine Frage. Er hat allein die halbe Oberstufe durch die Hauptfächer gezogen, mind. 40 Leute verdanken ihm ihr Abitur. Plötzlich haben ihn die Leute bewundert. Die, die ihn früher gemobbt hatten, haben nun versucht, seine Freunde zu werden.

    2. Fall: Gregor(Name geändert): Er war immer einen Kopf größer und hatte motorische Probleme. Außerdem hatte er nie ein Problem damit, seine Bisexualität öffentlich darzulegen. Er wurde gemobbt, aber er hat sich gewehrt, denn er war zwar nicht der schnellste, aber der stärkste. Und wenn ihn jemand tätlich angegriffen hat, hat er sich auch gewehrt. Immer. Er hat irgendwann seine Liebe fürs LARP gefunden und dann jeglichen Kontakt zu nicht-Larpern abgebrochen.

    3. Fall: Flo(Name geändert): Er wurde aufgrund seiner langen Haare gemobbt. Hat sich nie gewehrt, aber er hat eine Form von Sarkasmus entwickelt, die ihresgleichen sucht. Sein Motto war: Bevor andere mich verarschen, tu ich's lieber selbst.

    4. Fall: David (Name geändert): Er hat sich ganz klassisch in die virtuelle Welt geflüchtet. Allerdings mehr in den Programmierbereich.

    Psychologisch gesehen ist es so, dass man Konflikten auf zwei Arten begegnen kann: Man wehrt sich, oder man flüchtet sich in eine eigene Welt (PC, LARP/Fantasy, Träume). Oder aber man ist so abgehärtet durch das Leben, dass man die Konflikte nicht als wirkliche Probleme ansieht. Bei Andion ist aber nichts so richtig der Fall. Er begehrt zwar einmal auf, aber er wehrt sich nicht. Es würde wahrscheinlich glaubwürdiger rüberkommen, wenn er in der Szene mit dem Geschichtslehrer wütend aufstehen und ihm in die Augen schauen würde, nur um kurz darauf zurückzurudern, dann hättest du ein Muster: Er versucht, sich zu wehren, merkt aber, dass er überstürzt gehandelt hat. Aber Mobbing-Opfer handeln selten überstürzt, denn sie wissen irgendwann genau, was sie tun müssen. Sie versuchen, nicht aufzufallen.


    Huch, das war's erstmal, ich hab natürlich die Hälfte von dem, was ich schreiben wollte, wieder vergessen.
    Aber eines kann ich sagen: Ich fand die Charakterisierung von Andion - abseits der psychologischen Analyse - sehr gelungen, nur erachte ich persönlich ihn nicht als handlungsfähige Figur und damit ungeeigneten Protagonisten.


    EDIT: Oh ja, die Parallelen zu Sues Projekt sind mir auch aufgefallen! Entweder habt ihr zu viel voneinander gelesen, oder es ist doch nicht so originell  2. Abschnitt: 1. - 3. Kapitel 1246532750
    Oder reiner Zufalll. Oder die Illuminati... 2. Abschnitt: 1. - 3. Kapitel 205814768


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    2. Abschnitt: 1. - 3. Kapitel Empty Re: 2. Abschnitt: 1. - 3. Kapitel

    Beitrag von Susanne Gavenis So Sep 18, 2016 1:36 pm

    Ihr stellt zweifellos gute und wichtige Fragen. Ich habe damals den Übergang vom Prolog zu den ersten Andion-Kapiteln als sehr schwierig empfunden, weil der Kontrast zwischen dem Fantasy-Setting mit Ogaire und der realen Welt doch sehr stark und unvermittelt war. Hinzu kam - was vielleicht interessant für euch ist -, dass der Roman in einer für mich besonders schwierigen Schreibphase entstand.

    Unmittelbar vor Beginn meiner Planung hatte ich von mehreren kleineren Verlagen unabhängig voneinander beinahe identische Absagebriefe hinsichtlich anderer Manuskripte erhalten, deren Inhalt lautete: "Liebe Frau Gavenis, ihre Geschichte gefällt uns sehr gut, wir würden sie wirklich gerne veröffentlichen, aber da sie zu dick ist, fehlen uns leider die finanziellen Mittel dazu. Würden Sie es schaffen, Ihren 800 Seiten dicken Roman um mindestens die Hälfte zu kürzen, stünde einer Veröffentlichung nichts im Wege." Derartige Briefe kamen wie gesagt unabhängig voneinander von mehreren Verlagen zu verschiedenen von mir eingesandten Geschichten innerhalb kurzer Zeit, sodass ich in eine kleine Sinnkrise geraten bin.

    Natürlich war es nicht möglich, diese anderen, langen Geschichten einfach mal so um die Hälfte zu kürzen. Also habe ich - mit nicht wenig Wut und Resignation im Bauch - beschlossen, die nächsten meiner Geschichten von der Konzeption her komplett anders aufzuziehen, und zwar so, dass sie von vornherein gar nicht Gefahr laufen würden, wieder auf 500 oder mehr Seiten anzuwachsen. Da mir damals eine Verlagsveröffentlichung noch sehr wichtig war (das Manuskript zu "Wächter des Elfenhains" war zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung 2013 bereits einige Jahre alt. Ich hatte es, als es endlich fertig war, dann doch nicht an Verlage geschickt, weil unerwartet eine Veröffentlichung meiner anderen, dickeren Geschichten doch noch gelang), hatte ich überlegt, wie es mir - als einer Autorin, die VIEL Platz braucht, um ihre Geschichten und Figuren zu entfalten - möglich sein würde, alles, was mir an Figuren und Geschichten wichtig war, in 250 bis 350 Seiten zu quetschen.

    Ein Resultat dieser - durchaus emotional für mich schwierigen - Überlegungen war, vor allem den Vorlauf mit meiner Hauptfigur (also Andion) diesmal von Umfang und Inhalt her deutlich dichter zu packen, d.h. viel weniger Szenen, als ich es sonst in meinen umfangreicheren Geschichten getan hätte, auf die allmähliche Einführung ihrer Biographie und ihres Hintergrundes zu verwenden, sondern im Grunde Andion - und damit den Leser - in inhaltlich sehr (um es mal böse zu formulieren) vollgequetschte Szenen zu werfen. Während ich sonst die Einführung meines Protagonisten mit seinem zentralen Konflikt in relativ vielen Szenen und konflikthaften Dialogen gestalte, hatte ich mir damals zum Ziel gesetzt, so schnell wie möglich die Handlung voranzutreiben.

    Das hat dazu geführt, dass ich Andion - anders als meine Protagonisten in meinen anderen Geschichten - in einer einzigen (im Grunde - da gebe ich euch recht - ziemlich überladenenen) Szene mit all seiner Andersartigkeit versucht habe, in die Handlung zu pushen. Die Darstellung der ganzen verschiedenen Facetten dieser Andersartigkeit, für deren Entfaltung ich mir normalerweise vermutlich mehrere Kapitel Zeit genommen hätte, ist nun in lediglich zwei unterschiedlichen Szenen (zum einen die Klassenszene mit dem Lehrer und zum anderen die Schulhofszene) komprimiert, und das wirkt - auch für mich - ziemlich wuchtig.

    Auch die zu scharfe Polarisierung zwischen Gut und Böse, die Invece anspricht (hier Andion mit seinen emotionalen Wahrnehmungen der Niedertracht und Bösartigkeit seiner Mitmenschen, da der fette Lehrer und seine Mitschüler), beruht, denke ich, auf diesem Bemühen meinerseits, meine Geschichte diesmal auf so wenigen Seiten wie möglich unterzubringen. In dem Versuch, Andion in seiner Andersartigkeit und seinem Gefühl einer allumfassenden Ablehnung durch seine Mitmenschen möglichst schnell einzuführen, wirkt dieser dargestellte Kontrast zwischen ihm und den anderen sehr plakativ und dick aufgetragen. Ich würde zwar nicht so weit gehen zu sagen, dass darin comicartige Züge auftreten, aber ich verstehe, denke ich, wie dieser Eindruck entstanden ist.

    Dass ich selbst lange Zeit überhaupt keine positive emotionale Beziehung zu dieser Geschichte finden konnte, zeigt, dass ich mit dieser doch sehr brutal-abrupten Einführung meiner Figuren sehr unglücklich war. Da ich aber damals überzeugt war, dass ich nur durch einen deutlich dünneren Roman als alle meine übrigen Geschichten eine Chance auf eine Verlagsveröffentlichung hätte, habe ich die Geschichte - was ihre Konzeption angeht - auf eine doch deutlich andere Weise aufgebaut als sonst.

    Die Kernbotschaft der Andion-Einführung sollte sein: Andion ist anders, und er ist anders aufgrund bestimmter Eigenschaften, die andere Menschen nicht verstehen und die ihnen Angst machen. Hierbei spielen notwendigerweise starke (auch und vor allem negative) Gefühle der Figuren eine zentrale Rolle. Solche starken negativen Gefühle - Ablehnung, Furcht, Aggression aufgrund dieser Furcht, Trauer und Resignation auf Seiten Andions, dazu die Angst, so zu sein wie sein Vater, die Einführung seiner aktuellen Lebenssituation (ständige Flucht vor seinem Vater zusammen mit Ian und seiner Mutter) - verlangen in meinen Augen beinahe zwingend nach mehreren Kapiteln und relativ vielen Szenen, in denen diese Elemente nach und nach in einem dosierten Tempo entfaltet werden können. Der ohnehin sehr krasse Wechsel vom Elfenhain des Prologs zum normalen Schulalltag in der realen Welt tut in Verbindung mit dieser zu großen Komprimierung der wichtigsten Aspekte von Andions Persönlichkeit und seines biographischen Hintergrundes auf lediglich zwei oder drei Szenen bedauerlicherweise sein Übriges, um es dem Leser schwerer zu machen, als ich es sonst tun würde.

    Von diesem von mir damals so empfundenen Zwang, keine langen Geschichten schreiben zu dürfen, um eine Verlagsveröffentlichung nicht zu gefährden, bin ich relativ schnell wieder abgerückt (wobei "relativ" auch wieder relativ ist, da ich in dieser Phase immerhin insgesamt vier - für meine Verhältnisse sehr kurze - Geschichten geschrieben habe, bevor ich gedacht habe: Ihr könnt mich alle mal, ich schreibe so, wie ICH es will, und basta!). Selbstkritisch muss ich sagen, dass ich - bevor ich den Roman Jahre später doch noch an einen Verlag geschickt habe - die Mühe hätte investieren sollen, gerade den Anfang (später löst sich dieses Problem der zu großen inhaltlichen Packungsdichte m.E. auf) noch einmal zu überarbeiten und meiner eigentlichen Sichtweise auf Geschichten anzupassen.

    Ich poste das erst mal, da meine Internet-Verbindung heute sehr unzuverlässig ist. Inveces Diskussions-Anregungen will ich aber auf jeden Fall auch noch weiter aufgreifen, da es wirklich interessante Fragen sind.


    Zuletzt von Susanne Gavenis am So Sep 18, 2016 1:42 pm bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet


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    Beitrag von Susanne Gavenis So Sep 18, 2016 1:41 pm

    @Gotthelf: Auf deine Gedanken gehe ich auch noch ein, hat sich nur mit meinem Posten überschnitten.


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    Beitrag von Gotthelf So Sep 18, 2016 1:42 pm

    Hmm, also dass du Andions gesamte Charakterisierung auf so engen Raum gepackt hast, sieht man. In meinen Augen hat dies der Figur sehr geschadet. Denn wahrscheinlich würden sich all seine Eigenschaften irgendwie zu einem Ganzen zusammenfügen lassen, hättest du dem nur den nötigen Platz gegeben.


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    2. Abschnitt: 1. - 3. Kapitel Empty Re: 2. Abschnitt: 1. - 3. Kapitel

    Beitrag von Earl Grey So Sep 18, 2016 2:11 pm

    Gotthelf schrieb:Erstens: Er muss doch nicht in die Schule, gerade wenn es in einem englischsprachigen Land geschieht, es gibt keine Schulpflicht, bzw. immer die Alternative "Homeschooling"
    Ja, das war auch genau mein Gedanke. Ich verstehe irgendwie nicht, warum er unbedingt zur Schule gehen muss.



    Gotthelf schrieb:Eine weitere Sache, die mir aufgefallen ist, ist die beinahe schon erschreckende Dummheit vieler Figuren. Andion wird zusammengeschlagen und der Direktor gibt ihm die Schuld? Wie beschränkt muss man sein? Und Andion selbst fällt keine Antwort ein, da muss erst Ian mit der Idee kommen, die drei Rüpel rauszuwerfen (die wahrscheinlich nicht nur auf Andion losgehen, sie mussten ja auch irgendwie anders negativ aufgefallen sein).
    Ja, das fand ich auch etwas zu übertrieben.
    Auch, dass natürlich die Schulschläger mit einem Messer in der Baumrinde rumkratzen fand ich dann auch etwas zu viel des Guten.


    Allerdings würde ich Andion nicht als Protagonisten untauglichen Charakter bezeichnen. Er ist nun mal sehr passiv, und gewissermaßen flüchtet er sich in die Elfenwelt, aber sein Verhalten erschien mir nicht motivationslos. Er versteht die Menschen und hat daher Angst, seine Kraft einzusetzen, da er sie nicht noch mehr verängstigen und damit gegen sich aufbringen will (dass eben niemand mal mit einem Messer in der Schule auftaucht...). Außerdem handelt er ja: um den Baum zu beschützen. Also braucht es nur etwas, das ihm wichtig genug ist, dass er aus seiner unauffälligen Zurückgezogenheit ausbricht und aktiv handelt; er ist also ganz sicher nicht handlungsunfähig. Ich finde seinen Charakter gut konzipiert und verständlich und logisch ausgearbeitet.


    Insgesamt würde ich dem Schwarz-weiß Gedanken jedoch nicht zustimmen; ja, es gibt eine solche Einteilung. Allerdings war für mich zumindest klar genug erklärt, dass die Abneigung seiner Mitschüler und Lehrer aus ihrer Angst vor ihm und seiner Andersartigkeit, die sie nicht verstehen können, resultiert und nicht aus Boshaftigkeit heraus entstand. Also sind sie für mich nicth die "Bösen" sonder lediglich Menschen, die mit Unbekanntem und ihren eigenen Ängsten nicht umgehen können.
    Der Böse ist für mich ganz offensichtlich Ogaire, der tatsächlich sehr gut in ein SChwarz-weiß-Schema passt.


    @Susanne: Ja, das ist wirklich gut zu wissen. Allerdings hatte ich bisher nicht das GEfühl, die Geschichte sei gestrafft worden.


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    Beitrag von Alastor So Sep 18, 2016 2:13 pm

    Ja, das war auch genau mein Gedanke. Ich verstehe irgendwie nicht, warum er unbedingt zur Schule gehen muss
    Nur mal so als Hinweis: Privatunterricht zuhause kriegt man nicht mal eben so. Es ist zudem sehr kostspielig...
    Euch ist nicht mal im Ansatz ein Gedanke gekommen, warum er nicht zuhause unterrichtet wird und weiter zur Schule geht? Ernsthaft? 2. Abschnitt: 1. - 3. Kapitel 3402984712 2. Abschnitt: 1. - 3. Kapitel 3402984712


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    Ein Mann stand auf einer Klippe und beobachtete, wie sein Heimatland zu Staub zerfiel.
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    Und er hörte ein Kind weinen.
    Es waren seine eigenen Tränen.

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    Beitrag von Earl Grey So Sep 18, 2016 2:16 pm

    Hm, so weit ich weiß, gibt es auch die Möglichkeit, dass Eltern ihre Kinder selbst unterrichten.
    Nun, auch insgesamt: Sie sind auf der Flucht, und Ian ist verdammt gut im Urkunden fälschen.
    Gibt es überhaupt eine offizielle Geburtsurkunde von Andion? Könnte man ihn nicht einfacher verstecken, wenn er nicht zur Schule gehen müsste`?
    Oder meinst du, das wäre dann zu offensichtlich? Andererseits, man könnte seine Anwesenheit auch geheim halten und müsste kein Homeschooling anmelden...
    Oder gibt es einen besonderen Grund, dass er sich bei Menschen eingliedern muss und sie kennenlernen?


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    Beitrag von Gotthelf So Sep 18, 2016 2:58 pm

    @Earl: Wenn die Leute richtig Angst vor ihm haben, dann wagen sie es auch nicht, gegen ihn zu handeln. Als er sich verprügeln hat lassen, was hat er damit gewonnen? Wenn Kenneth das nächste Mal Lust hat, den Baum zu zerkratzen, wird er das auch machen. Wenn aber Andion ihm richtig Angst eingejagt hätte, würde er sich das sicher zweimal überlegen.

    @Alastor: Also mal ehrlich. Es ist so einfach, sich einfach zu Hause unterrichten zu lassen. Dazu braucht es keinen Lehrer, dazu braucht es nichtmal die Eltern, er müsste nur nachweisen können, dass er sich weitergebildet hat. Das ist 1 mal im Jahr ein bisschen Papierkram, den sein Vormund auch für ihn erledigen kann und er muss dann nur mal kurz in die Schule und einen Text bestehen.


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    Beitrag von Earl Grey So Sep 18, 2016 3:12 pm

    @Gotthelf: Ich hatte es so verstanden, dass es eher eine unbewusste Angst ist und die Anderen das selbst nicht so ganz wissen. Sie ihn also aufgrund seiner Andersartigkeit ablehnen, ohne genau sagen zu können, warum. Es passt nicht zu Andions Charakter, andere einzuschüchtern und eine Art Schreckensherrschaft aufzubauen. Ja, Kenneth wird sich davon nicht abhalten lassen, das nächste Mal wieder einen BAum zu zerschneiden. Aber Andion versucht, nicht aufzufallen und sich bedeckt zu halten, da würde es gar nicht in sein Verhaltensschema passen, Kenneth und die anderen zu verprügeln. Auch würde das seine Andersartigkeit noch weiter unterstreichen, und das ist ja das letzte, was er will. INdem er alles über sich ergehen lässt, wirkt er unscheinbar und schwach. Man kann sich natürlich darüber streiten, ob das ein wünschenswertes Ziel ist oder nicht, aber da es zu dem passiven Charakter Andions passt, finde ich es angebracht.


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    Beitrag von Susanne Gavenis So Sep 18, 2016 4:39 pm

    Es gibt gerade so vieles, was ich gerne zuerst ansprechen würde, aber ich muss mich leider für eine Sache entscheiden. Da die Frage von Andions Schulaufenthalt ja scheinbar mehr von euch umtreibt, als ich dachte, picke ich mir zunächst mal diesen Punkt heraus (woraus sich auch eine Frage für eine allgemeinere Diskussion ergeben mag).

    Im Grunde ist eure Frage dadurch entstanden, dass ihr noch nicht genug Informationen über die Geschichte und Andions Hintergründe besitzt. Zum einen fehlen euch im Moment noch beinahe sämtliche Informationen darüber, wie es "zu Hause" in Andions gegenwärtigem Versteck überhaupt zugeht, d.h. hier vor allem, wie seine Beziehung zu seiner Mutter ist. Ich will jetzt nicht zu sehr spoilern (aber da das Buch ja eh kurz genug ist, werdet ihr es ohnehin bald erfahren), aber so, wie die Dinge liegen, wäre es für alle Beteiligten unzumutbar, wenn Andion den ganzen Tag mehr oder weniger zu Hause bliebe, ohne in die Schule gehen zu können. Natürlich mag man - wenn man schließlich alle Fakten kennt - einwenden, dass er sich ja auch mit seinen Schulbüchern den halben Tag irgendwo auf eine Parkbank oder in ein Cafe setzen könnte, aber das würde zum einen die Gefahr einer Entdeckung durch seinen Vater unnötig vergrößern, und zum anderen - das ist der zweite Punkt - versucht Ian durch den Schulbesuch für Andion zumindest ein klein wenig normale Jugendlichen-Realität in sein Leben zu bringen. Das habe ich jetzt nicht explizit in Andions Gedanken ausgesprochen, es schwingt aber bei Ians Motiven in Bezug auf Andion indirekt mit.

    Hier schließt sich m.E. die allgemeinere Frage an, wie schnell und explizit ein Autor in seiner Geschichte handlungs- und figurenrelevante Informationen an seine Leser weitergeben soll. Nicht sofort alle Hintergründe auszuplaudern, die für die Hauptfigur von Bedeutung sind, heißt ja gleichzeitig immer auch, die Geduld des Lesers auf die Probe zu stellen (und vielleicht ab einem bestimmten Punkt zu überreizen). Zu viele Informationen zu schnell und an den falschen Stellen zu geben, würde wiederum die Gefahr vergrößern, dass der Leser sich unter der massiven Info-Flut begraben fühlt und gedanklich und emotional aus der Geschichte aussteigt. Immer geht es dabei ja um die Frage, einerseits die Neugier des Lesers durch dezente Andeutungen hier und da wachzuhalten und den thematischen roten Faden seiner Szenen nicht aus dem Blick zu verlieren (was zu einer zerfaserten und letztlich schlechten Geschichte führen würde) und andererseits den Leser nicht mit zu wenigen Informationen im Regen stehen zu lassen und dadurch zu verhindern, dass er wichtige Ereignisse und Hintergründe zum richtigen Zeitpunkt verstehen (und besser in die Geschichte eintauchen) kann.

    Bei Andion hat sich dieses Problem bzw. die Frage, welche Informationen ich über die Hintergründe seiner Biographie wann gebe, von daher in besonderer Schärfe gestellt, weil wie gesagt seine Einführung in den ersten Szenen ohnehin mit sehr vielen Informationen über seine Andersartigkeit thematisch sehr stark besetzt war. Noch mehr Hintergrund-Infos in diese ersten Szenen hineinzupacken (etwa über seine Mutter), um bestimmte Aspekte seines Verhaltens und seiner speziellen Lebenssituation noch besser verstehen zu können, hätte m.E. zu einer völligen Überfrachtung der Szenen geführt. Zumindest erfährt der Leser in den ersten Szenen, dass nicht einmal seine Mutter Andion in die Augen schauen konnte, sondern dass dies nur Ian vermochte. Dies wäre eine Info, aus der man zu diesem frühen Zeitpunkt extrapolieren müsste, was das für die Beziehung zwischen Andion und seiner Mutter und für die Frage bedeutet, ob es weise wäre, Andion zu Hause (ohne Schulbesuch) lernen zu lassen.

    Bei eurer Einschätzung, dass sich die Figuren alle ziemlich dumm verhalten - hier offenbar vor allem der Schuldirektor - würde ich sagen, dass dieses Gefühl aufgrund von Andions spezieller Problematik entstanden sein mag. Gerade in der Szene mit dem Schuldirektor wollte ich zeigen, dass Andion aufgrund seiner Andersartigkeit und der instinktiv ablehnenden Reaktionen seiner Mitmenschen auch in eigentlich völlig eindeutigen Situationen nicht damit rechnen kann, gerecht und mit normalem gesundem Menschenverstand beurteilt zu werden. Dass der Direktor - statt die drei Schläger zu bestrafen, wie es für jeden normal empfindenden Menschen völlig natürlich gewesen wäre - Andion die Schuld gibt, sollte den Abgrund zwischen Andion und seinen Mitmenschen besonders hervorheben. Andions Fremdartigkeit verbiegt und verzerrt die emotionalen Reaktionen von Menschen, die mit ihm zu tun haben, auch ohne dass es ihnen in der Situation unbedingt bewusst sein müsste. Dass lediglich Ian für ihn spricht und die Situation so darstellt, wie sie wirklich ist, unterstreicht das Grund-Lebensgefühl von Andion, dass es nämlich auf der ganzen Welt nur Ian gibt, der ihm als Anker dienen kann. Hier würde sich die allgemeine Frage anschließen, welche Deutungen und Interpretationen von Ereignissen ein Autor offen aussprechen sollte (z.B., indem er seine Figuren entsprechende Vermutungen darüber anstellen lässt) und wo er es den Lesern überlässt, die indirekt in bestimmten Handlungen der Figuren steckenden Deutungen selbst zu finden.

    Ich muss leider erst mal aufhören, aber wie gesagt - es gibt so viele Dinge, die ich gerne noch ansprechen möchte, dass es im Moment schwer ist, sich für eins davon zu entscheiden.


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    Beitrag von Gotthelf So Sep 18, 2016 4:51 pm

    Also, wenn er eine Schule besucht, soll das nicht riskant sein? Tut mir leid, aber wenn etwas seltsam ist, dann spricht das sich herum. Die Schule ist quasi ein öffentlicher Ort und je nachdem, wie sie aussieht, werden auch Passanten das eine oder andere vom Pausenhof mitbekommen. Schüler werden ihren Eltern von diesem merkwürdigen Jungen erzählen, etc.
    Mag sein, dass das anfangs nicht so geplant war, aber falls es Ians Idee war, hat er in meinen Augen seine Intelligenz wieder eingebüßt.

    Andion die Schuld gibt, sollte den Abgrund zwischen Andion und seinen Mitmenschen besonders hervorheben
    Naja, es hebt eher den Abgrund zwischen dem Schuldirektor und der Kompetenz für diesen Beruf hervor. Außerdem gibt es auch einen Stellvertreter und einen Schulpsychologen, die auch etwas dazu zu sagen haben.
    Es ist zwar ein Detail, über das ich gestolpert bin, mir ist es nur deshalb aufgefallen, weil ich das sehr oft aus Filmen kenne, damit die Protagonisten noch mehr als Opfer dargestellt werden. Aber ich hoffe doch sehr, dass du damit inzwischen gebrochen hast Wink

    Übrigens, ich bin mir zwar nicht sicher, aber wäre es dann nicht klüger gewesen, zuerst Andion bei sich zu Hause zu zeigen, und dann erst in der Schule?


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    Beitrag von Susanne Gavenis So Sep 18, 2016 5:26 pm

    Gute Einwände. Allerdings hatte ich mir Andions Andersartigkeit und die ablehnenden Reaktionen seiner Mitmenschen nicht so vorgestellt (bzw. hoffe, dass ich das auch entsprechend dargestellt habe), dass die Menschen ihre Ablehnung und ihr instinktives Schaudern klar benennen könnten und zu Hause und im Freundeskreis darüber reden würden. Es ist eher ein schweigendes Zurückweichen beim Kontakt mit ihm (das zwar - wie die Szene mit den drei Schlägern zeigt - auch Gewalt provozieren kann, aber das ist die völlige Ausnahme), so wie es z.B. die Lehrerin auf dem Schulhof zeigt.

    Bei der Schulbürokratie musst du - und das sage ich als Insider - zwischen Anspruch und Realität unterscheiden. Längst nicht alles, was in Fällen wie dem von Andion getan werden müsste, wird auch getan, und Stellen, von denen jeder Außenstehende denken würde, dass sie sofort die Zügel in die Hand nehmen und alles für das Kind zum Guten wenden würden, sind nicht immer die edlen Retter, als die man sie gerne sieht (und als die sie gesehen werden wollen). Außerdem hatte ich nicht vor, Andion nach dem Vorfall mit den drei Schlägern erst langwierig durch alle Instanzen laufen zu lassen. Ausgehend von dem, was ich selbst bereits in der Schule erlebt habe, habe ich dreisterweise diese Situation in einer einzigen Szene verdichtet dargestellt. Ich denke nicht - auch wenn wie gesagt das Verhalten des Direktors aufgrund von Andions spezieller Persönlichkeit berechtigten Anlass zur Kritik gibt -, dass diese Szene dadurch dumm oder unglaubwürdig wird. Außerdem sind auch Schuldirektoren, Lehrer und Sozialarbeiter nur ganz normale Menschen, die auch krasse Fehlentscheidungen treffen können.

    Bei deiner Frage, ob es nicht klüger gewesen wäre, Andion zuerst zu Hause mit seiner Mutter und erst dann in der Schule darzustellen, würde ich ganz klar sagen, dass dies im Sinne der Konfliktsteigerung eine sehr schlechte Entscheidung gewesen wäre. Die Beziehung zu seiner Mutter ist emotional für ihn derart bedeutsam und mit Gefühlen aufgeladen (vor allem im Sinne seiner Konflikte), dass eine Szene, in der Andion sich mit seinen Lehrern und Klassenkameraden auseinandersetzt, demgegenüber ein Rückschritt gewesen wäre. Natürlich gibt es auch in den ersten Schulszenen eine Menge starker Gefühle, aber die sind doch - was seine Konflikte angeht - für Andion auf einer ganz anderen Ebene der Relevanz angesiedelt. Zuerst die Szenen zu Hause und dann die in der Schule zu bringen, hätte in meinen Augen einen Bruch in der Konfliktsteigerung bedeutet.


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    Beitrag von Gotthelf So Sep 18, 2016 5:41 pm

    Dann hätte ich trotzdem die Szene in der Schule gekürzt, denn so wie es ist, hast du sehr viele Dinge, über die man erstmal stolpert und die Stirn runzelt. Und nicht jeder wird danach weiterlesen, wenn er die Auflösung nicht in greifbarer Nähe sieht. Wie gesagt, es ist alles der Kürze geschuldet, aber ich denke, hättest du den Platz, wäre es besser, wenn du daheim mit einer relativ harmlosen Szene angefangen hättest, dann in die Schule und dann die von dir angesprochene Szene daheim, die zur Konfliktsteigerung beiträgt. Da ich noch nicht dahin gelangt bin, ist das natürlich reine Spekulation, aber ich gehe mal davon aus, dass sie die Situation im Haus über die ganze Flucht hinweg in etwa auf demselben Level des Konflikts befunden hat, und erst ein triggerndes Ereignis verschlimmert die Lage.

    Was die Schulbürokratie betrifft, das fällt alles unter künstlerische Freiheit, Uns geht es nicht darum, die Realität wie sie ist, abzubilden, das wäre ja lächerlich. Und im Grunde hab ich damit kein Problem, nur finde ich dieses "Prota gegen den Rest der Welt" etwas unoriginell.


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    Beitrag von Susanne Gavenis So Sep 18, 2016 8:26 pm

    Ich denke, dass das erste und grundlegende Problem bei der Konzeption einer solchen Geschichte - was den Anfang betrifft - in dem sehr krassen Kontrast zwischen einem reinen Fantasy-Prolog und dem danach erfolgten Wechsel in die "reale Welt" besteht, der dem Leser auf jeden Fall erst einmal einen kleinen Kulturschock verpasst, unabhängig davon, wie man die nachfolgenden Szenen nun inhaltlich konkret gestaltet. Ich glaube, diesen "Kulturschock" kann man als Autor nur versuchen, so klein wie möglich zu machen, indem man trotz des Kontrastes genügend Anhaltspunkte einstreut, die eine gewisse Kontinuität für den Leser spürbar machen.

    Ich habe das Gefühl, dass das andere Muster "Mensch aus unserer Welt gelangt durch was auch immer in eine Fantasy-Welt und erlebt dort Abenteuer" es für den Leser leichter macht, eine solche Kontinuität vom Gefühl her aufrechtzuerhalten, weil man sich dabei vom Vertrauten ins Unbekannte (die Fantasy-Welt mit ihren neuen Regeln) bewegt statt von einer Welt, die man in ihren Gesetzmäßigkeiten bisher bestenfalls in ein paar Bruchstücken kennengelernt hat, zurück in die normale Realität. Hierbei steht m.E. der Autor immer vor der Herausforderung, dem Leser relativ schnell die Weiterexistenz der magischen Welt in der realen (und damit einen roten Handlungsfaden, der beide Welten trotz des abrupten Wechsels verbindet) plausibel machen zu müssen und zügig Andeutungen in die "Normalwelt-Szenen" einzustreuen, die das Magische weiterhin zu einem Bestandteil des Lebens der neu eingeführten Figuren werden lassen.

    Ich denke auch, dass Leser bei dieser Art von Geschichten schneller ungeduldig werden, als würde ein Mensch aus der Normalwelt in eine Fantasy-Welt verschlagen werden, weil man - wenn nicht rechtzeitig genug Andeutungen in entsprechende Richtungen eingestreut werden - zu sehr in der Luft hängen gelassen wird, was die weitere Ausrichtung der Handlung angeht, und nicht einschätzen kann, was das eine denn nun mit dem anderen zu tun haben soll. Wenn eine Geschichte in der realen Welt beginnt und dann abrupt in eine Fantasy-Welt wechselt, wird, denke ich, beim Leser sofort eine ganze Reihe von möglichen Handlungsmustern und Storyverläufen aktiviert (z.B. eine Prophezeiung, die dieser Mensch zu erfüllen hat, eine Aufgabe, wegen derer er beschworen wurde, etc.), die ihn die weiteren Ereignisse geduldiger erwarten lässt.

    Ich habe mich vorhin mal gefragt, wie viele Romane mir einfallen, die in einem Fantasy-Setting anfangen und dann in die normale Welt wechseln, und wie viele ich kenne, wo es umgekehrt ist. Bei Letzterem sind mir eine Menge in den Sinn gekommen, bei Ersterem im Moment noch keiner. Auch wenn es mit meiner eigenen Geschichte gerade nichts zu tun hat, finde ich diesen Gedanken nicht uninteressant.


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    Beitrag von Earl Grey So Sep 18, 2016 8:52 pm

    Mir fällt dazu nur das Ende des Animes "Full Metal Alchemist: Brotherhood" ein; wobei der Wechsel in die normale Welt erst sehr spät kommt und nicht weiter ausgeführt wird.
    Nun ich denke das liegt vor allem daran, dass man als Leser der Meinung ist, eine Fantasywelt sei viel toller als die unsrige, und es eher unbefriedigend wäre, wenn die Protagonisten am Ende in einer stinknormalen Zweizimmerwohnung hausen und täglich Ubahn fahren, nachdem sie Drachen bekämpft und mit Elfen gestritten haben usw...


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    Beitrag von Sue So Sep 18, 2016 11:18 pm

    In der Filmkomödie "Die Besucher" (1993) landen ein Ritter und sein Diener durch einen missglückten Zauber in der Gegenwart (naja, im Jahr 1992) und stellen viel Blödsinn an. Sonst fällt mir keine andere Geschichte mit diesem Settingmix ein... wirklich eine interessante Frage und mal etwas ganz Neues.^^

    Ansonsten: Maaaann, wurde hier viel geschrieben! Ich glaub, heute bekomm ich dazu keine Antwort mehr auf die Reihe. 2. Abschnitt: 1. - 3. Kapitel 374496072
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    Beitrag von Gotthelf Mo Sep 19, 2016 1:30 pm

    EIn paar weitere Dinge, die mir noch aufgefallen sind:
    Andions Mutter wird ziemlich lang in einem inneren Monolog charakterisiert. Es wäre mir wahrscheinlich nicht aufgefallen, Susanne, wenn du nicht in deinem Kommentar zu meinem Text positiv hervorgehoben hättest, dass genau so eine Szene nicht stattfindet.

    Es mag ja verschiedene Arten von Müttern geben, aber wie viele würden in ihrem Kind den monströsen Vater sehen? Das ist eine ziemlich archaische Vorstellung, fast schon aus biblischen Zeiten. Wenn es beabsichtigt war, dann ist es dir grandios gelungen, diese Vorstellung einzufangen, aber ich denke, moderne Menschen tun sich damit schwer. Ich musste mich die ganze Zeit wundern. Müsste die Mutter ihn und die Mutter gerade wegen ihres Vaters nicht ein noch stärkeres Band der Liebe verbinden? Das jedenfalls dürfte der "Normalfall" sein. Und wenn die Mutter schon in einem solchen Zustand ist, warum hat sie sich nicht längst die Kugel gegeben? Im "Normalfall" hält eine Mutter ja der Gedanke an das Kind am Leben, aber wenn dies hier nicht so ist... Es verstärkt nur diesen "Ich gegen die Welt" Gedanken und lässt Andion noch passiver wirken, da er immer nur in Selbstmitleid zerfließt und nichts unternehmen will. Abgesehen von seinem offensichtlich extremen Minderwertigkeitskomplexen erinnert er mich ein wenig an Artyom, den Protagonisten von Metro 2033. Ein naiver Bursche, der in einen Konflikt hineingezogen und ständig von anderen herumgeschubst wird. Bis zum Ende des Buches ergreift er nie wirklich die Initiative, und als er es endlich tut, ist es zu spät.

    Wie ich glaube ich schon vorher gesagt habe, es ist eine sehr gelungene Charakterisierung, nur fürchte ich um logische Brüche, falls er plötzlich anfängt zu handeln. Auch ist es wohl nicht jedermanns Sache, mir wird so ein mitleidhaschendes Gehabe nämlich schnell melodramatisch und ich langweile mich. Aber ich fand ja auch Titanic kitschig Wink

    Eine andere Sache ist das Gespräch mit Ian im Park. Es bringt einen sehr weit im Verständnis, aber für mich ist dieser Dialog arg gekünstelt, denn ich denke mir, es kann doch gar nicht sein, dass die beiden in 17 Jahren noch nie so eine Art von Gespräch hatten. Andion geht es ja nicht von heut auf morgen so schlecht, sondern wahrscheinlich sein ganzes Leben lang. Wenn er und Ian ständig zusammen sind, dann müssten sie doch oft miteinander reden, gerade wenn Andion ihn braucht.


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    Beitrag von Earl Grey Mo Sep 19, 2016 4:07 pm

    Eine andere Sache ist das Gespräch mit Ian im Park. Es bringt einen sehr weit im Verständnis, aber für mich ist dieser Dialog arg gekünstelt, denn ich denke mir, es kann doch gar nicht sein, dass die beiden in 17 Jahren noch nie so eine Art von Gespräch hatten.
    Der Gedanke kam mir auch. Dieser Dialog wirkte auf mich auch sehr gekünstelt, ein Mittel, um dem LEser Informationen zu geben, ohne einen allwissenden Erzähler zu generieren.


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    Beitrag von Susanne Gavenis Mo Sep 19, 2016 5:06 pm

    @Gotthelf: Ich denke ganz entschieden, dass du mit deiner Einschätzung, dass Andion ein unbrauchbarer Protagonist ist, weil er nicht handlungsfähig und passiv ist, vollkommen falsch liegst. Das wichtigste Kriterium von Passivität ist die Unfähigkeit oder der Unwillen, sich zu entscheiden. Auch eine Entscheidung, etwas NICHT zu tun, wäre eine aktive Handlung, wenn sie von der Figur bewusst getroffen wird. Andion ist sich der Situation, in der er sich befindet, und der Bedingungen, die sein Handeln bestimmen und limitieren, sehr bewusst, und er trifft aktiv seine Entscheidungen, wie er - ausgehend von seinem zentralen Konflikt - damit umgehen will. Und diese Entscheidungen kosten ihn eine Menge. Natürlich leidet er sehr stark unter seiner Isolation, seiner Andersartigkeit, seiner Angst, so zu sein wie sein Vater, und unter seiner Beziehung zu seiner Mutter, aber dieses Leiden mit passivem Selbstmitleid und Handlungsunfähigkeit zu verwechseln, wäre m.E. ein fundamentaler Trugschluss, der dir auch bei der Konzeption deiner eigenen Geschichten Probleme bereiten könnte.

    Ich denke, warte erst mal die folgenden Szenen mit der Mutter ab und schau, ob sich an deiner Einschätzung hinsichtlich Andions etwas ändert. Da ich ja weiß, wie sehr du mit der Konzeption deiner Rose-Geschichte und ihrer Prämisse gerungen hast, würde ich dir gerne den Vorschlag machen, dir zu überlegen - ausgehend von dem, was du bisher von meiner Geschichte gelesen hast - welche Prämisse darin bewiesen werden soll und welchen zentralen Konflikt Andion besitzen könnte.

    Bei deinen anderen Anmerkungen möchte ich erst mal abwarten, ob die anderen dazu etwas sagen, bevor ich selbst meine Meinung herausposaune. Dass sich Andion und Ian erst jetzt auf diese Weise unterhalten, liegt in der besonderen Situation begründet, in der sich Andion gerade befindet bzw. in die er bald kommen wird. Auch hier möchte ich erst mal schauen, ob die anderen deiner Meinung sind oder was sie stattdessen denken. Ganz besonders neugierig bin ich darauf, ob sie deine Einschätzung bezüglich Andions Mutter teilen. Ich werde aber später auf jeden Fall auch noch meine Gedanken dazu äußern.

    Bei deiner Kritik bezüglich des inneren Monologs, mit dem ich Andions Mutter in die Handlung einführe, gebe ich dir prinzipiell insoweit recht, dass es in meinen Augen in der Tat oft besser ist, wichtige Figuren in Szenen mit aktiver Handlung und konflikthaftem Dialog einzuführen. Bei deiner Rose-Geschichte hat sich das aufgrund deiner allgemeinen Konzeption geradezu aufgedrängt, und hier wäre m.E. eine Einführung, bei der du erst einmal in einem langen inneren Monolog Roses über ihre Mutter und ihre Lebensprobleme schwadronierst, eine schlechte und kotraproduktive Wahl gewesen. Die Andion-Geschichte hat aber von ihrer Konzeption her komplett andere Anforderungen gestellt als deine Rose-Geschichte, und der Leser brauchte eine Menge an Vorwissen, um eine Szene, in der die Beziehung zwischen Andion und seiner Mutter dargestellt wird, richtig einschätzen zu können. Diese ganzen Informationen hätte ich, denke ich, nicht auf eine sinnvolle Weise in einer Szene unterbringen können, in der der Fokus auf Andions Interaktion mit seiner Mutter liegen sollte, sondern ich brauchte hier ein wenig Vorlauf.

    Dies war vor allem deshalb m.E. notwendig, weil Andions Mutter - im Gegensatz zu Roses Mutter - derart heftig traumatisiert ist, dass ein normaler konflikthafter Dialog mit aktiver Handlung, wie ich ihn bei meinen anderen Geschichten sehr gerne bei der Einführung von wichtigen Figuren einsetze, in diesem speziellen Fall nicht möglich gewesen wäre. Ich bin jetzt unsicher, wie weit du schon gelesen hast, aber wenn du noch nicht bei den Szenen mit der Mutter bist, würde ich auch hier sagen, schau einfach mal, wie die Mutter auf dich wirkt, und ob sich dadurch an deiner jetzigen Einschätzung etwas ändert. Falls du dich bei deinem Kommentar allerdings bereits auf die komplette Sequenz mit der Mutter im nächsten Abschnitt beziehen solltest, muss ich bei meiner Antwort ein wenig weiter ausholen.


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    Beitrag von Gotthelf Mo Sep 19, 2016 5:31 pm

    Ich meinte nicht, dass Andion ein unbrauchbarer Protagonist ist, nur dass er dem eigentlichen Sinn des Wortes "Protagonist", also "Vorkämpfer" nicht gerecht wird. Dass auch Passivität eine beherrschende Eigenschaft einer fiktiven Figur sein kann, zeigt Artyom, und in der klassischen Literatur auch Woyzeck, und ich würde nicht sagen, dass das eine schlechte Geschichte ist. Ich kann dir nicht zustimmen, dass Andion sich entscheidet, etwas NICHT zu tun, denn seine Entscheidungen scheinen wirr und unüberlegt zu sein. Erst springt er auf als die Eiche angegriffen wird, dann zieht er sich zurück. Beim Direktor zieht er den Schwanz ein, bei Ian redet er frei aus sich heraus. Wäre seine Passivität tatsächlich bewusst und strukturiert, müsste er auch hintunterschlucken können, dass die Eiche gerade leidet. Zumal er alt genug sein sollte, um zu wissen, dass solche Angriffe auf die Natur tagtäglich stattfinden. Ich kann ihn dennoch als eine Hauptfigur sehen, nur dass ich bisher davon ausgehe, dass er sich einen Großteil der Geschichte auf Ian oder auf andere stützen müssen wird.

    Als zentralen Konflikt würde ich sehen, wie Andion mit dem Erbe seines Vaters umgeht, und daraus resultieren dann die "kleineren" Konflikte mit seiner Mutter und seinen Mitmenschen.

    EDIT: Gerade im Hinblick auf Andions (geistiges) Alter mute ich ihm als Leser nicht zu, dass seine Passivität rein rational begründet ist, sondern führe sie auf Desorientierung zurück. Bisher glaube ich, dass Andion mit der Situation (immer noch) überfordert ist und deshalb mal so mal so reagiert. Das ist sicherlich interessant, aber hat für mich nichts mit bewusster Entscheidung zu tun. Ein Jesus, der sich am Kreuz festnageln lässt, entscheidet bewusst, aber diese Konsequenz sieht man über die ganze Geschichte hinweg. (Ja, die Bibel ist ein Abenteuerroman Wink) Bei einem Andion sehe ich diese Konsequenz nicht.


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