3. Akt - In den Bergen

"Nee nee, mit Schmieden fang' wir hier nich an! Wo willste denn bitte schmieden? Da braucht man mehr als nur 'n Feuer zu." Kaebjorg grinste bei der Vorstellung, auch nur eine seiner Begleiterinnen den Hammer schwingen zu sehen.
"Ich glaub ja nich, dass es hier andre Gidwerg gibt, aber wenn doch, könn' wir uns ja dazugeselln. Die werden sicher ordentliches Bier haben!"
Er wandte sich an Valeska: "Der Tag des Erwachens nach dem Tag des Erwachens, aye, das ist immer 'n ganz besondrer Tag!"
Dann sah er sich auf der Straße nach einem Gasthaus um, oder wenigstens nach jemandem, der einen Sinn für gutes Bier hatte.

"Na ja, Hauptsache, du hast Spaß", sagte Valeska mit einem Lächeln zu dem Gidwerg. Zu Lylla gewandt sagte sie mit einem verschmitzten Funkeln in den Augen: "Was für Wettbewerbe schweben dir denn so vor? Also wir könnten mal gucken, wer am weitesten auf den Händen laufen kann." Dann lief sie zu den Häusern hinüber und rief: "Verehrte Dorfbewohner, gibt es hier ein Gasthaus? Unsere Maultiere sind genauso hungrig wie wir und wenn es auch noch ein schönes Bier für Kaebjorg hier gäbe, wäre das ganz wunderbar."

Lylla sah der jungen Frau lachend nach. "Eigentlich keine schlechte Idee! Auf meinen Füßen zu laufen macht mir schon seit heute mittag keinen Spaß mehr. Am Anfang dachte ich, ich würde mich schnell an das Laufen gewöhnen, aber ich glaube, das denke ich immer und vergesse es dann wieder." Sie hatte eigentlich zu Kaebjorg sprechen wollen, aber sie war nicht sicher, ob er sie überhaupt hörte. Immerhin ihr Muli schien ihr Aufmerksamkeit zu schenken und sie kraulte es hinter dem staubigen Ohr. "Heute Nacht schläfst du schön im Stall, Kleines! Ist das nicht was?"

"Du kannst auf'n Händen laufen?"
Kaebjorg sah Valeska skeptisch an.
Dann hörte er Lyllas Bemerkung.
"Aye, lasst uns erstmal nen gemütlichen Platz suchen, wo's was für den Magen gibt."

Der Angesprochene schaute bei Valeskas Frage auf. "Es verirren sich selten Fremde in unsere kleine Siedlung. Eine richtige taverne gibt es hier nicht, jedoch haben wir eine Suppenküche, die die beste Suppe nördlich des Ri'Ma macht. Dort wird sich sicherlich auch ein Plätzchen für eure Reittiere im Stall geben. Schaut, dort drüben", der Mann zeigte die Straße hinab, "dort hat Xaria Wung ihr Suppengeschäft."

"Ah, danke vielmals." Valeska lächelte den Mann freundlich an und setzte sich dann in die angegebene Richtung in Bewegung. Das Maultier folgte ihr so willig, als habe es das Wort Stall verstanden.
Sie band das Maultier an einen Balken von dem Stall und betrat das Haus.

Als Raya ihren Magen grummeln hörte, folgte Raya Valeska.
"Hey Valeska, das musst du uns nachher unbedingt zeigen. Ich bin zwar mit Pfeil und Bogen geschickt, aber sonst hab ich zwei linke Hände. Das muss ich mal ausprobieren."

Suppe? Das klang so nach heißem Wasser mit Gemüse ... Und von Bier und Betten hatte der Mann auch nichts gesagt.
Aber Kaebjorg würde sich das erstmal aus der Nähe ansehen. Und zur Not hatten sie ja noch Narimbrand.

Lyllas Muli trabte plötzlich schneller. Valeska war in einem Stall verschwunden und ihr Maultier hatte so selbsgefällig mit dem Schwanz gewedelt, als es um die Ecke gebogen war, dass der Funken übergesprungen war. Lylla ließ es los und stakste auf gefühllosen Beinen hinterher. Jetzt wo es weg war, wurde ihr klar, dass sie sich ganz schön auf ihr Tier aufgestützt hatte. Sie sah sich nach Andrel um. Sich ein wenig an seine Kutte zu hängen und dabei ganz selbstständig auszusehen, wäre doch was! Raya ging schnell in ihrer Nähe vorbei. Ihr Magen knurrte laut und Lyllas Bauch schien zu antworten. Sie seufzte und sah sich wieder um.

Ava betrachtete das kleine Dorf neugierig, konnte sich aber nicht vorstellen, das ihr Bruder dort wäre. Außerdem schien ihr Muli sowieso bloß der Stall zu interessieren, den der Mann erwähnt hatte. Sie flüsterte ihm zu: "Keine Sorge, gleich darfst du dich ausruhen." Auch sie hatte nichts gegen ein vernünftiges Essen und eine Pause einzuwenden.

Der Stall an Xarias Suppenküche nahm eure Tier auf, aus dem kleinen Haus der jungen Frau kam ein verführerische Duft eines leckeren Eintopfs.

Valeska betrat die kleine Hütte, die gerade einmalPlatz für 2 Tische bot, daneben gab es eine Kochstelle, über der ein großer Kessel hing, aus dem ein verführerischer Duft aufstieg. Die Akrobatin konnte Fleisch, Zwiebel und eine Menge Gewürze riechen. An einem Tisch neben dem Feuer stand eine Frau, die die 40 wohl schon erreicht hatte und schnitt verschiedene Gemüse in kleine Stücke. Als sie Valeska bemerkte, schaute sie von ihrer Arbeit auf und lächelte ihr zu.

"Setz dich doch, ich bringe dir gleich eine Schüssel. Es kommen selten Fremde in unser Dorf, darum bist du mir in meiner bescheidenen Hütte sehr willkommen."

Andrel war so in Gedanken, dass er beinahe mit Lylla zusammengestoßen wäre. Er hatte sie nicht gesehen - genau genommen hatte er seit ihrer Pause gar nichts gesehen und sich darauf verlassen, dass das Maultier den anderen folgte.
Eine Schülerin ... wie stellte Valeska sich das vor? Er hatte noch nie gelehrt. Wie machte man das? Bevor er ihr eine Antwort darauf gab, würde er noch ein paarmal darüber schlafen müssen.
Erschrocken hob er den Kopf, wich einen Schritt in höfliche Distanz zurück. "Verzeih!"

"Vielen Dank für die freundliche Begrüßung", sagte Valeska mit einem Lächeln zu der netten Frau. "Und einen Teller Eintopf würde ich sehr begrüßen. Ich habe einen Mordshunger." Sie ließ sich mit einem Seufzer auf einen der Stühle fallen. Meine Güte, taten ihr die Füße weh. Diese ganze Wanderei hatte einige Schattenseiten. Wieder einmal vermisste sie ihren schönen Wagen schmerzlich. "Ich hoffe, Euer Kessel ist voll, denn es kommen noch ein paar Freunde, die auch gerne etwas essen würden. Habt Ihr vielleicht auch einen Krug Wasser?"

Kaebjorg hatte sein Maultier ebenfalls in den Stall gebracht - dabei war das Vieh ihm auch noch auf den Fuß getreten, und er war sicher, dass es genau gewusst hatte, was es tat. Wenigstens hatte er gute Stiefel und die Attacke locker weggesteckt.
Er riss die Türe der kleinen Hütte auf.
"Ich kipp gleich um, wenn ich nichts zu essen krieg! - Nix für ungut", schickte er schnell hinterher, als er die Frau erblickte, die mit Valeska sprach. "Wir Gidwerg werden auf Reisen hungrig und durstig wie nix sonst. Ganz besonders heut! Gibt's 'n in eurem Dorf auch Bier? Und leben hier andre Kinder Guntras?"
Er ließ sich auf einen der gemütlicheren Plätze fallen.

"Oh, du hast Freunde mitgebracht? Das höre ich gerne. Ihr seid nicht aus der Gegend, oder? Das sehe ich dir doch an. Wie gesagt, es kommen selten Fremde in unser Dorf. Darum freue ich mich zu hören, was es für Neuigkeiten in der Welt gibt."

Die Frau brachte Valeska einen Krug Wasser, stellt gleich ein paar Becher dazu. Dann brachte sie eine Schüssel mit wohl duftendem Eintopf. Sie begann, weiters Gemüse zu zerkleinern, holte dann noch etwas Fleisch aus der Speisekammer und warf alles in den Kessel, den sie dann noch mit etwas Wasser auffüllte. Plötzlich polterte Kaebjorg herein und überfiel Xaria mit seinen Fragen. In der Zwischenzeit blieben immer wieder Menschen vor der Suppenküche stehen und warfen einige neugierige Blicke auf euch. Besonders die Kinder interessierten sich sehr für de Gidwerg.

"Nein, andere Gidwerg leben hier nicht", Xaria zeigte auf die Kinder auf der Strasse. "Du scheinst für sie eine Attraktion zu sein. Mach es dir bequem, du bekommst gleich deinen Eintopf."

Sie winkte eines der Kinder zu sich und sagte: "Schnell, lauf zu Chong. Wir haben seltene Gäste und benötigen etwas von seinem Bier." Das Mädchen machte sich schnell auf den Weg und verschwand aus eurem Blickfeld.

"So, da wärte einmal der Eintopf", sagte die Köchin, als sie Kaebjorg die Schüssel mit der Suppe hinstellte.

Valeska nickte der Wirtin zu und machte sich sogleich über den Eintopf her, um Zeit zu schinden. Unsicher sah sie zu Kaebjorg hinüber. Was durfte sie von ihrem Wissen preisgeben und was sollten sie lieber geheimhalten? Sie entschloss sich mit etwas Unverfänglichem zu beginnen. "Habt Dank, gute Frau. Es schmeckt wirklich vorzüglich. Nachrichten aus der Welt? Hm, nun ja, ich war Akrobatin in einem Zirkus und bin viel herumgekommen. Wenn es ihr und die Kinder gerne sehen wollt, dann könnte ich für ein paar Münzen eine kleine Vorstellung draußen vor dem Haus geben."
Sie hoffte, Kaebjorg oder Lylla würde vielleicht die Warnung der Leute hier vor der grünen Gefahr übernehmen. Sie wusste selbst nicht genug, um viel darüber zu berichten. Sollte sie Andrejs Heilkünste anpreisen? Vielleicht lieber nicht. Er wirkte in der letzten Zeit so in sich gekehrt und wollte vermutlich kein Aufsehen erregen. "Eine der unseren sucht ihren Bruder. Ist vielleicht vor uns ein Fremder hier durchgekommen?"

"Die Kinder würden sich sicher über ein paar Kunststücke freuen. Hier passiert selten etwas."
Sie warf einen Blick auf die Kinder.
"Fremde? Nun, es kommen die Händler hier durch, die ihre Waren gegen Jade tauschen, die unsere Männer aus den Bergen holen. Ansonsten," ihr Blick wanderte in die Ferne, "ja, ich glaube... Vor gut drei Monden kam eine Gruppe Abenteurer hier durch. Sie wollten eine Höhle suchen. Wer weiß, was die da wollten. Wir haben sie nie wieder gesehen."

"Ey, vergesst es. Beim ralligen Dhourolgar, ich mach keine Kunststücke für niemand!"
Kaebjorg hob abwehrend die Hände und rückte so weit er konnte von den Kindern fort in die Tischecke. Sein Bart war sowieso schon lädiert. Wenn sie ihn am Ende auch noch anfassten ...
Er hatte immer wieder erlebt, wie irgendwelche frechen Gören in abgelegenen Gegenden mit dem Finger auf ihn und die anderen Gidwergseemänner zeigten und sie blöde beglotzten. Einmal hatten die Gören sogar die Köpfe zusammengesteckt und böse gekichert; dann war der größte und unverschämteste von ihnen nach vorne geprescht und hatte Raer am Bart gezogen. Aber mit der Flinkheit eines Gidwergseefahrers hatte er nicht gerechnet! Raer hatte ihn blitzschnell am Kragen gepackt und in das Hafenbecken geworfen. Ha! Das hatte er verdient! Beim Gedanken daran musste Kaebjorg laut lachen, und der Eintopf schmeckte ihm gleich viel besser.

Raya hatte sich zu den anderen gesetzt und löffelte von dem Eintopf. Dann fiel ihr etwas ein, das sie vor einer gefühlten Ewigkeit mit Valure besprochen hatten.
"Werte Frau, könnt ihr uns eine vielleicht etwas merkwürdige Frage beantworten? Habt ihr in der Gegend schonmal Tiere gesehen, die sich seltsam verhalten haben? Aggressiver oder wie benommen? So als wären sie von einem Virus befallen? Denken sie gut nach, es ist sehr wichtig. Wir haben davon weiter unten im Gebirge gehört und wollten alle in der Gegensd warnen."

"Och, ich bitte dich, keine Ursache." Lylla lehnte sich genüßlich in Andrels Wärme hinein und griff nach seinem Arm. "Du scheinst ganz in Gedanken. Geht es dir auch so, dass man beim Laufen manchmal fast seinen Leib vergisst? Jetzt werden wir uns an ihn erinnern!" Sie betrat lachend den Schankraum, bemerkte aber sofort die Stimmung darin. Raya hatte gerade eine Frage gestellt, die eine merkwürdige Stille hatte entstehen lassen. Oder bildete sich Lylla das nur ein, weil es drinnen dunkler war? Jedenfalls blieb sie wie angewurzelt stehen, um nichts zu verpassen.

Ava brachte ihr Muli in den Stall, zäumte es ab und meinte leise: "Sieht aus als wärst du hier gut versorgt, bis später." Sie strich dem Tier noch einmal über die Nüstern und folgte dann den anderen in die Suppenküche. Hinter Lylla angekommen nahm auch sie eine Atmosphäre wahr, wie sie oft auf schwierige Fragen folgte. Neugierig und vorsichtig sah sie sich um. Valeska, Kaebjorg und Raya saßen an einem Tisch, vor sich Suppenschüsseln, Lylla (und Andrel?) standen halb im Raum. Dabei versuchte sie, die Neugierigen vor der Suppenküche zu ignorieren.

Andrel spürte, wie sich die Tür hinter ihm erneut öffnete. Halb sah er sich um und bemerkte Ava, die sich hinter Lylla wie hinter einem Schutzschild verbarg und den Raum betrachtete. Er konnte ihr Unbehagen gut nachvollziehen. So exponiert an der Tür zu stehen, gefiel ihm auch nicht.
"Setzen wir uns", schlug er den beiden Damen im Flüsterton vor.

Ava, erleichtert über Andrels Vorschlag, nickte leicht und machte einen Schritt von der Tür weg, Richtung Tisch. Dabei sah sie erst fragend zu den anderen, die bereits am Tisch saßen, dann abwartend und unsicher zu Andrel. Die Aufmerksamkeit der Dorfkinder war ihr unangenehm, aber Interaktionen mit anderen waren manchmal nicht einfacher.

"Na komm, Kindchen!", sagte Lylla lächelnd und schob Ava sanft vorwärts, während sie selbst an den Tisch ging. Die Dämpfe des Eintopfs stiegen ihr wohlig in die Nase und weckten ihren Magen, der in den letzten Tagen zu schlafen schien, wenn sie wanderten. Kaum kam sie zur Ruhe und ihre Nase vernahm einen appetitlichen Duft, wachte er knurrend auf.
Sie nahm eine Schale und einen Löffel aus der Mitte und reichte beides an das schüchterne Mädchen weiter, bevor sie auch für sich Geschirr und Besteck nahm.

Andrel folgte den beiden Frauen, suchte sich einen freien Platz und nahm ebenfalls von dem Eintopf.