PBard schrieb:Ich persönlich würde ein Buch mit KI Bildern nicht einmal mit der Kneifzange angreifen, geschweige denn Geld dafür ausgeben - und mittlerweile zeigen sich da auch viele Verlage mit den geprellten Illustratoren solidarisch.
Wouklyn schrieb:Was ich aber ablehne, ist KI-"Kunst". Verwendet ein Autor diese, würde er automatisch auf meine "Boykottieren"-Liste kommen. Kein Ehrgefühl, kein Geld. Unabhängig davon, dass es da sowieso Copyright-Probleme o. Ä. geben soll.
Dann hört ihr hoffentlich auch keine Musik mit Drum Samples, wegen der ganzen „geprellten“ Schlagzeuger…
Oder mit Keyboard-Streichern, wegen des gesamten „geprellten“ Orchesters, dass die geizige Garagen-Band nicht anheuern wollte.
Ich weiß nicht, woher diese ewige „snuck premise“ (=untergejubelte Prämisse), AI-Bilder würden irgendwelchen Illustratoren die Jobs wegnehmen, kommt, und warum sie nicht totzukriegen ist. Wenn irgendwelche Indie-Autoren aus ihren privaten Zimmern AI-Bilder erzeugen,
mit welchem Anspruchsdenken gehen Illustratoren davon aus, dass sie jemals Aussicht auf deren Geld gehabt hätten? AI übernimmt vor allem solche Illustratoren-Jobs, die gar nicht erst ausgeschrieben wurden: Viele Indie- und beginnende Schreiberlinge tun das ja gerade, weil sie eben NICHT das Geld in die Hand nehmen können, um einen Vollzeit-Künstler zu bezahlen, sich mehrere Cover-Entwürfe von ihm erstellen zu lassen usw. Wenn du selbst eine Zeichnung deiner Charaktere kritzelst, oder aus Public-Domain- und Stock-Bildern etwas mit Photoshop zusammenschusterst, „prellst“ du dann auch einen Illustrator?
Umgekehrt würde ich als Auftraggeber für einen Illustrator letzten Endes das Gleiche machen wie bei einer AI auch — einen Text-Prompt geben und hoffen, dass der Beauftragte das korrekt umsetzt. Ein menschlicher Künstler macht zwar in der Regel keine typischen AI-Schoten wie zu viele Finger, aber ein preiswerterer Illustrator, oder jemand, der gerade auf DeviantArt o.ä. anfängt, kriegt Lichtverhältnisse, Proportionen etc. vielleicht auch noch so 100%ig hin.
Beim echten beauftragten Illustrator kosten die „erneuten Versuche“ bloß ein Vielfaches mehr, weil sie ihn ja auch mehr Zeit und Aufwand kosten — ob es deshalb aber näher an dem dran ist, was ich mir als Autor in meinem Kopf vorstelle? Das kann der beauftragte Zeichner ja genauso wenig sehen wie die AI. Die AI braucht unzählige Versuche mehr, aber der einzelne Versuch ist eben auch deutlich billiger. Man würfelt unzählige Würfel, bis irgendwann mal eine natürliche 20 dabei ist (eher eine natürliche 100
).
Die Idee, ein AI-Bild als Vorlage zu nehmen, um einem beauftragten Künstler zu zeigen, wie man sich etwas vorstellt, wäre auch für mich ein „best of both worlds“. Das würde ich aber vor allem für kritische Dinge wie das Buchcover in Erwägung ziehen. Bonus-Ausschmückungen hingegen, wie sie hier besprochen werden — z.B. den Anhang mit Bildern der ganzen Charaktere zu versehen — würden extrem schnell extrem kostspielig. In meinem Fall wäre das so, als würde ich als Einzelperson ein ganzes D&D-Monster-Manual mit von Illustratoren gezeichneten Artworks bebildern lassen. Vielleicht ist das ja einer der Gründe, warum bisher die meisten Romane so etwas eben NICHT beinhalten?
Wo wir gerade davon reden: Etwas anderes ist es bei großen Firmen, die ihren bisherigen Erfolg u.a. auch ihrer Zusammenarbeit mit Illustratoren zu verdanken haben, wie Wizards of the Coast. Wobei z.B. Magic: The Gathering-Sets mittlerweile solche Massenware geworden sind, so viele, wie davon jedes Jahr auf den Markt kommen, dass irgendwelche Gammel-Commons mit AI-Illustrationen zu versehen eigentlich von der Qualität her angemessener wäre
.
Letztendlich sind diese großen Firmen jedoch gleichzeitig die letzten, die man mit Boykotts von der Verwendung von AI abbringen könnte. Wenn es wirtschaftlicher ist und trotzdem „akzeptable“ Ergebnisse produziert, werden sie es tun (so ist der Kapitalismus mittlerweile durch den ewigen Geiz für genau jene Mittelmäßigkeit verantwortlich, die seine Verfechter so gerne sozialeren Systemen unterstellen
). Und das Thema scheint mir kein ausreichend flächendeckender Aufreger zu sein, um wirklich für einen systematischen Massen-Boykott herzuhalten. Dafür spielen zu viele potenzielle Kunden mittlerweile selbst gerne einmal mit AI herum.
Moralische Argumente ziehen da nicht. Musikalische Puristen beharren auch weiter darauf, dass man kein Autotune benutzt und das Schlagzeug nicht quantisiert — in der Zwischenzeit räumen „Künstler“ Millionen ab, die genau das schamlos tun. Die breite Masse stört es ggf. nur dann, wenn es so dick aufgetragen ist, dass man es auf den ersten Blick / Hörer merkt, und es damit die stets erstrebte „suspension of disbelief“ unterbricht: Wenn das Autotune klar hörbar ist, wenn das Schlagzeug zu maschinell klingt, wenn dem Bild direkt anzusehen ist, dass es AI-generiert ist (und sei es nur aufgrund der üblichen Finger-Problematik).
Genauso wenig, wie die ganze Welt aus reinen Gewissensgründen vegan werden wird — stattdessen wird die Technologie irgendwann so weit sein (Laborfleisch, Vertical Farming etc.), dass das „moralische“ Produkt auch das kostengünstigere sein wird (Weidefläche und Futter gespart, usw.). Dann kommt der Wandel von ganz allein, und vermeintlicher „moralischer Fortschritt“ folgt auf den eigentlichen technischen Fortschritt.
Das funktioniert aber eben auch andersherum: Als Amazon anfing, online Bücher zu verkaufen, hat diese günstigere Technologie viele lokale Buchhändler „geprellt“. Mit AI wird es für bestimmte kreative Aufgaben nicht anders sein.
Da ich oben aber bereits von aktuell noch komplett menschengemachter „Massenware“ sprach, und mich bei den Disney-Star-Wars-Filmen auch mittlerweile frage, ob eine AI das nicht besser hätte schreiben können, komme ich nicht um den Eindruck herum:
Wenn ein Künstler ernsthaft Angst hat, dass AI ihm den Rang ablaufen wird, ist das so, als wenn man auf dem Datingmarkt Angst hat, von einem Sexroboter ersetzt zu werden — die, die selbst nicht mehr zu bieten haben, sind am ehesten von der Technik bedroht. Die anderen wissen, dass sie selbst immer etwas werden bieten können, das die Technik nicht wird erreichen können.
Wenn man nun einen Künstler beauftragt und ihm ein vorher generiertes AI-Bild als Vorlage gibt, um zu zeigen, wie man selbst sich etwas vorstellt, ist die Frage, ob er bereits darauf so reagiert wie der durchschnittliche Geiger auf den Wunsch eines Schülers, den Fiddle Fretter mit Bünden auf das Griffbrett zu kleben
.
Wenn ja — wenn für ihn bereits die bloße grundsätzliche Verwendung von AI „haram“ ist — dann lebwohl, bekommt eben jemand anderes den Auftrag. Gibt ja sonst auch einen Art Director, der erstmal einen Sketch erstellt und damit dem Beauftragten vorgibt, wie das Endergebnis ungefähr aussehen soll. („So, bloß in besser.“)
Was derweil Boykott-willige „Fans“ angeht: Hier würde ich mich ja mal interessieren, wie viele wirklich ein Problem damit haben, oder ob es mal wieder nur eine laute Minderheit ist. Und auch, ob sie das wirklich aus eigener Überzeugung ablehnen, über die oben genannten Argumente einmal nachgedacht haben, oder bloß mit ins Anti-AI-Horn blasen, weil „man das halt jetzt so tut“ / „weil sich AI-Illustrationen nun einmal nicht gehören“.
Meist sehe ich das nämlich mal wieder aus einer ganz bestimmten Ecke kommen. Ich probiere zwar gerne, die Gräben mit meiner Geschichte zu überwinden, aber für Twitter-NPCs schreibe ich sowieso nicht. Die würden sich bereits von zu vielen Inhalten meiner Geschichte angegriffen fühlen — und die traditionellen Verlage ggf. auch — sodass ich entsprechende „Vorgaben“ getrost ignoriere.
Manch ein Autor, der sonst gegenüber AI offen wäre, mag aus Sorge vor Anti-AI-Cancel-Mobs doch darauf verzichten, um sich nicht selbst um Leserschaft und letztendlich Einnahmen zu bringen. Nach dem Motto, der Kunde ist König.
Wenn man allerdings so weit ist, dass man die eigenen Überzeugungen fallen lässt, um an eine möglichst breite Leserschar zu appellieren, wie kann ich davon ausgehen, dass sich das dann nicht auch auf den Plot auswirkt? Genau durch diese Einstellung bekommen wir ja so viel ecken- und kantenlose Einheitsbrei-Massenware vorgesetzt: Den kleinsten gemeinsamen Nenner.
Es ist halt ein großer Unterschied, ob man eine bereits etablierte Fanbasis verprellt, indem man ihnen auf einmal weniger / geringere Qualität gibt als das, was man ihnen vorher geboten hat — so etwa bei den Firmen, die früher das Geld für Illustratoren gezahlt haben und jetzt an diesem Ende sparen wollen —
oder ob man ein neues „intellektuelles Eigentum“ erschafft, und sich seine Fanbasis erst einmal an Lande ziehen muss.
In letzterem Fall kann man sich auf die Selbstselektion verlassen: Diejenigen, die kein Problem mit dem eigenen Schreibstil oder der Haltung zu AI haben, kommen — und die, die das nicht möchten, bleiben eben von Anfang an weg. Blöder ist, wenn letztere zunächst lange treue Fans waren, und man sie durch solch eine Änderung dann verprellt. Was die großen Firmen (sei es in Hollywood oder im Gaming) in letzter Zeit besonders gut können.
Ich für meinen Teil würde eher eine Geschichte von einem Autor lesen, der AI für sein Cover verwendet hat, aber thematisch und schreiberisch weiß, was er da tut, als von jemandem, der alles handgemacht hat, aber mir bloß einen handwerklich-korrekt-ausgeführten Plot liefert ohne thematische Substanz. Ist das eine falsche Dichotomie? Natürlich. Es ist bloß in der Praxis abzusehen, dass jemand, der mehr Zeit und Aufwand in das eigenständige Illustrieren seines Werkes gesteckt hat, an irgendeinem anderen Ende gespart haben wird. Der Tag hat nun einmal für uns alle nur 24 Stunden. Die Frage ist, wie man dieselbe verfügbare Zeit nutzt.
AI setzt man ja vor allem da ein, wo man selbst NICHT die Fähigkeiten hat, man aber trotzdem die Kontrolle behalten möchte: Der Filmemacher, der kein Instrument spielt, greift vielleicht auf AI-Musik zurück; der Musiker oder der Buchautor, die komponieren / produzieren bzw. schreiben können, hat nicht so viele „Skill Points“ ins Zeichnen gesteckt, und verwendet AI dann eben dafür.
Selbst ich als Musiker habe aber auch schon ergänzend auf AI-Stimmen zurückgegriffen, wenn ich z.B. einen Chor verschiedener Stimmen haben möchte, anstatt nur meine eigene harmonisiert in den Background Vocals zu hören:
- Das Sinfonie-Chor-Software-Instrument mit Wort-Editor zu verwenden, ist letztendlich nichts anderes, als den Strings-Patch auf dem Keyboard auszuwählen. Bloß, dass man eben einen Chor anstelle eines Orchesters digital nachbildet.
- Oder aber, wenn ich einen Song mit verteilten Rollen habe und im Gegensatz zu Tobias Sammet von Avantasia nicht das Geld in die Hand nehmen kann, um mir ein halbes Dutzend erfahrener Power-Metal-Sänger ins Haus zu holen.
So, wie mich beim Musiker letztendlich mehr interessiert, ob er einen aussagekräftigen Song schreiben kann, als ob er irgendwo das Timing quantisiert und/oder Autotune benutzt hat, so interessiert mich bei Autoren mehr, ob sie einen thematischen Konflikt in ihrer Story überzeugend und differenziert darstellen und damit etwas aussagen können, als wer das Cover gemalt hat. Sich über Letzteres zu streiten oder gar „schwarze Listen“ darüber zu erstellen (ohne AI = gut, mit AI = Boykott), ist für mich eine Nebelkerze.Letzen Endes fände ich es sogar spannend, wenn eine AI es irgendwann schaffen würde, eine Geschichte mit thematischer Aussagekraft zu schreiben, die spannend zu lesen ist und deren thematischer Konflikt über Binsenweisheiten hinausgeht. Wahrscheinlich sind wir auf dem Level von AI-Fähigkeiten noch nicht angekommen.
Und wahrscheinlich werden die ersten Versuche auch sehr klischeehaft, wenn man die Algorithmen erst einmal mit der Hero‘s Journey und Save the Cat trainiert. Aber auch hier gilt: Die AI hat ja unzählige Versuche frei, für die ein Mensch pro Draft Jahre brauchen würde.