Vielen Dank für das große Interesse.
Ich glaube am Anfang sollte man erst einmal erwähnen, dass Sprecher/-in kein geschützter Beruf ist, für den man ein Zertifikat braucht. Eigentlich kann und darf sich jeder Sprecher nennen, der das möchte. Ob es sich dann gut anhört, ist natürlich die andere Frage. Daher kommen viele Hörbuchsprecher auch aus dem Schauspiel, da sie Theatersprache, den Umgang mit Texten und Stimmbildung gelernt haben. Dennoch heißt das nicht automatisch, dass jeder Schauspieler auch ein guter Hörbuchsprecher ist. Mittlerweile gibt es den Studiengang "Bachelor Sprechkunst und Sprecherziehung" den man in Stuttgart belegen kann und wahrscheinlich der Studiengang für jeden wäre, der von vorne herein einen Sprechberuf erlernen möchte. Aber wie man an mir sieht, bedeutet das nicht, dass man nicht auch später noch diesen Weg einschlagen kann, wie bei allem im Leben.
@Alastor Ich weiß ja, dass es theoretisch Kurse/Weiterbildungsmöglichkeiten zu allem gibt, aber wo findet man denn z.B. Unterricht für explizit Hörbuchsprechen?
Gibt es dabei Anlaufstellen, die du empfehlen kannst und andere, die du nicht empfehlen kannst?
Das ist tatsächlich nicht so leicht. Ich hatte wirklich Glück, da in einem Gespräch mit meiner Gesangslehrerin herauskam, dass Sie eigentlich Schauspiel gelernt hatte und ich sie dann gefragt habe, ob wir die Gesangsstunden nicht in Sprechunterricht umwandeln können.
D.h. in erster Linie würde ich mich in der Umgebung umhören, ob man Unterricht bei Schauspielern oder Sprechern nehmen kann. Gibt es die nicht in der Umgebung, bleibt eigentlich nur der Weg online zu suchen.
Für Quereinsteiger gibt es außerdem ein paar Onlinekurse. Ich habe den online Kurs von Katharina Koschny absolviert und war in der Golden Voice Academy. Der Nachteil ist, dass man sehr viel Geld in die Hand nehmen muss, um sich diese Kurse auch leisten zu können.
Am wichtigsten ist jedoch, dass man sich auf den Weg macht und anfängt, auch wenn man das Geld nicht hat. Es ist wahrscheinlich genauso wie als Schriftsteller/-in oder Musiker/-in, man kann sich immer und immer wieder perfektionieren und immer das Gefühl haben, man ist noch nicht soweit, man muss noch besser werden und noch mehr Kurse belegen oder sich selber reglementieren, indem man sich zu sehr vergleicht oder einredet, das man nicht qualifiziert genug ist. Schon damals war mein Motto für meinen Youtube-Kanal: "Wenn es einem gefällt, gefällt es auch zweien und dann gefällt es auch vieren usw." Im Do-it-yourself habe ich eigentlich am meisten gelernt. Klar wäre eine professionelle Schauspielausbildung gut, aber die Zeit und das Geld muss man natürlich haben.
"Wie findest du die Autoren, dessen Werke du dann einsprichst?
Ich stelle mir das wirklich schwer vor. Das Einsprechen als Hörbuch ist denke ich in Realität recht kosenintensiv und die Verlage selbst nehmen wahrscheinlich eher (bis man selbst bekannter ist) Sprecher, die eine Ausbildung darin hatten (ich nehme mal an, dass es sowas auch gibt?). Daher stelle ich mir vor, dass du viele Klinken putzen musst, bis es zu einer Zusammenarbeit kommt?"
Ehrlich gesagt schreibe ich große Verlage erst gar nicht an, sondern arbeite mit Selfpublishern zusammen. Da ich Sprecher und Studio in einem bin, ist der Produktionspreis wesentlich geringer, als bei herkömmlichen Studioproduktionen der Verlage.
Amazon hat da eine große Tür geöffnet, denn zuvor hatten sowohl Hörbuchsprecher wie auch Schriftsteller/-innen wenig Erfolgschancen ohne Verlag. Ich vergleiche das immer mit Hollywood. Der aller kleinste Anteil der Schauspieler schafft es bis nach Hollywood. Das, was bisher auf dem Markt an Hörbüchern zur Verfügung stand, war immer das Hörbuchhollywood. Daher sind wir auch relativ verwöhnt, was die Stimmen angeht, da die großen Bücher nur die besten, der besten eingesprochen haben. Jetzt öffnet sich jedoch der Markt und auch kleine Selfpublisher können auf dem Markt mitmischen und ihre Geschichten präsentieren. Denn auch neben Hollywood gibt es die vielen Auslesefilme oder B-Movies etc. die richtig gut sind und ihr Publikum haben und da sehe ich mich.
Bisher musste ich für die Bücher, die ich eingelesen habe, daher gar nicht so viel Klinken putzen.
Die wichtigere Frage ist vielleicht, kann man davon leben. Das muss ich mit einem klaren "Nein" beantworten. Bisher kann ich (noch) nicht davon leben. Aber es ist auf jeden Fall ein Ziel.
@PeryRodan: "KI gelesene Bücher werden ja in ein paar Jahren eine echte Konkurrenz sein. Gibt es da jetzt schon Bewegung im Markt? Geht es vielleicht in Zukunft eher in Richtung Hörspiel - statt Hörbuch?"
Bei den Hörbüchern sehe ich diese Tendenz (noch) nicht. Bisher finde ich KI Stimmen schon sehr faszinierend, dennoch behaupte ich, dass es KI noch nicht schafft Fiction-Bücher wirklich gut und emotional vorzulesen. Ich denke, dass es auch einen wesentlichen Unterschied bei der Hörerschaft macht, ob ein Buch KI vorgelesen ist oder von einem echten Erzähler. Bei Sachbüchern sieht es da vielleicht schon anders aus. Ich denke, das kann man wie mit einem guten Cover vergleichen. Man kann schon gute Buchcover mit KI erzeugen, gegen einen guten Coverdesigner hat KI meiner Meinung nach aber noch keine Chance bzw. muss ein guter Coverdesigner hinter der KI sitzen, um ein gutes Cover zu erzeugen.
@Mishra: "Ich habe letztens mal deinen Kanal durchstöbert. Traue mich oft nicht, neue Hörbücher anzupacken oder "Anfänger" anzuhören, weil da schon eine gewisse Qualität herrschen darf, damit ich dazu einschlafen das wirklich genießen kann. Ich finde deine Stimme aber recht angenehm. Deutliche Aussprache, schönes Lesetempo und lebendige aber nicht übertriebene Tonalität. Hab deinen Kanal in jedem Fall mal zu meinen Favoriten zugefügt und lasse gelegentlich auch was laufen, wenn ich Haushalt mache"
Vielen lieben Dank. Das freut mich wirklich sehr, dass dir mein Kanal gefällt und wenn du bei den Geschichten einschläfst, ist das ein absolutes Kompliment.
PeryRhodan hat das Thema KI ja aufgebracht. Das kam mir auch gerade in den Sinn. Wobei ich da bisher noch nicht wirklich positiv eingestellt bin. Ist etwas wie E-Reader vs. echtes Buch. bin da irgendwie konservativ. Trotzdem interessant zu wissen, ob das irgendwie ein Thema für dich ist. Gibt ja vielleicht auch Möglichkeiten, das sinnig für sich zu benutzen. Eventuell einen Mix aus KI und echter Stimme, um unterschiedliche Stimmen einzufangen.
Da gebe ich dir Recht. Da ergeben sich viele neue Möglichkeiten. KI ist ja auch schon fester Bestandteil auf meinem Kanal. Zwar noch nicht sprachlich aber visuell. Tatsächlich habe ich daher wenig Angst vor KI, sondern sehe sie eher als nützliches Werkzeug. Außerdem möchte ich mir eine Hörerschaft aufbauen, die sich gerne von mir unterhalten lässt, auch weil sie weiß, dass hinter dem Sprecher ein Mensch steht. Klar könnte ich meine Stimme klonen und durch KI eine perfekte Aussprache erzeugen, aber das wäre nicht authentisch und vielleicht ist es auch gut zu zeigen, dass man auf seinem Weg nie perfekt startet und wahrscheinlich auch nie vollkommene Perfektion erreichen kann. Das vergleiche ich mit AutoTune. Ein Sänger kann AutoTune als stilistisches Mittel für den Gesang einsetzen, aber auch wenn er Angst hat, dass seine eigene Stimme nicht alle Töne haargenau trifft. Da höre ich mir lieber die nicht so genaue Stimme an, weil sie einfach authentisch ist.
"Hörspiele sind auch immer spannend. Wobei mir vorstellen kann, dass es ein riesen Unterschied ist, zwischen Text vorlesen und ein Skript "performen". Ist ja fast Schauspielerei dann. Kann ja aber trotzdem ein Thema für dich sein.
War in deinem Unterricht aber wohl eher kein Bestandteil, oder? Eher Richtung Rhetorik, klare Aussprache und dergleichen."
Tatsächlich hätte ich unglaubliche Lust einmal in einem Computerspiel eine Synchronrolle einzunehmen. Beim Synchronsprechen oder aber auch bei Hörspielen ist wirklich das Schauspieltalent gefragt. Aber auch hierfür ist nichts unmöglich.
"Gibt es Foren oder sonst allgemeine Anlaufstellen für Sprecher, wo ihr euch austauschen könnt und vielleicht auch gegenseitig Tipps gebt oder so?"
Ich war einmal in einer Facebookgruppe, aber wirklich weitergebracht hatte diese mich leider nicht. Bis jetzt habe ich da leider noch keine passende Gruppe gefunden, liegt aber wahrscheinlich auch daran, dass ich mich als introvertiert bezeichnen würde.
"Fiverr ist ja auch so Sache. Dieses Freelance-Arbeiten. Gibt es da einen Markt für gute Sprecher, spielt das für dich eine Rolle oder sagst du, dass du es beim selbstständigen Einlesen von Texten bleibt, die du selber gut findest?"
Tatsächlich gibt es einen Markt. Viele Sprecher machen dort aber keine Hörbuchaufträge sondern Voice Over. Das habe ich mir zwar oft überlegt, mich aber dann doch dagegen entschieden und zwar genau aus dem Grund, den du genannt hast. Ich möchte eigentlich selbst entscheiden, welchen Texten ich meine Stimme gebe und mit wem ich zusammen arbeite.
"Ach.. produktionstechnisch erfordert das alles ja auch etwas Investment. Hast du im Verlauf deiner Karriere schon entsprechend Upgrades gemacht? Machst du das überhaupt von zu Hause aus oder gibt es da Tonstudios für, die man sich mieten kann? Macht das überhaupt Sinn, wenn es nicht gerade ein großes Projekt ist, das auch von Verlagsseite gefördert wird?"
Ich produziere in meinem Homestudio. Studioanmietung wäre viel zu teuer.
Mein Equipment hat einiges gekostet, war jedoch auch keine Unsumme. Da ich mein Sprecherdasein mit Youtube begonnen habe, hatte ich schon viel Equipment und das ist seitdem auch stetig gewachsen. Die Ausgaben konnte ich mit Youtube und den Hörbüchern wieder einspielen.
Vielen Dank für die vielen Fragen. Ich hoffe, ich konnte eure Fragen alle beantworten. Wenn weitere Fragen da sind oder euch einfallen, könnt ihr sie mir gerne stellen
LG Chris