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Die Vorstellung eines Romans von unserem Mitglied Tarija; in ihren Worten verfasst:
Klappentext:
Eine Wölfin, gefangen im Körper einer Frau.
Ein gewaltiges Schicksal, das bevorsteht.
Ein Barbar, der ihr zur Seite steht,
um das geteilte Kardianische Land zu einen.
Eine uralte Schrift,
die es zu entziffern gilt,
um gemeinsam den Weg der Prophezeiung zu beschreiten.
Eine Reise ins Ungewisse, gespickt mit Gefahren,
Kämpfen und der Findung zu sich selbst.
Die Vorstellung eines Romans von unserem Mitglied Tarija; in ihren Worten verfasst:
Klappentext:
Eine Wölfin, gefangen im Körper einer Frau.
Ein gewaltiges Schicksal, das bevorsteht.
Ein Barbar, der ihr zur Seite steht,
um das geteilte Kardianische Land zu einen.
Eine uralte Schrift,
die es zu entziffern gilt,
um gemeinsam den Weg der Prophezeiung zu beschreiten.
Eine Reise ins Ungewisse, gespickt mit Gefahren,
Kämpfen und der Findung zu sich selbst.
- Leseprobe:
Prolog
21 Sommer zuvor
Ihre schlanken Finger gruben sich in das kuschelige Fell ihrer Mutter.
Nackte Glieder, die sich falsch anfühlten.
Wohin waren ihre Pfoten verschwunden? Ihr samtweicher Pelz?
Sie schmiegte sich in das Fell, suchte nach einer Antwort, warum sie kein Wolf mehr war. Die gleichmäßigen Atemzüge der Wölfin beruhigten ihre aufgewühlten Gedanken. Ebenso die Geräusche der näheren Umgebung.
Das Rascheln des Laubes unter ihr. Die Blätter vor dem Höhleneingang, die in der Sommerbrise flüsterten. Winzige Füße, die durch das Unterholz huschten. Eine Hummel brummte vorbei, auf der Suche nach Nahrung, während die Vögel ihre Lieder zwitscherten. Etwas entfernt hörte sie einen Specht klopfen, der unermüdlich für seine Kinder Futter aufspürte.
Sie zogen sich in die Höhle zurück, da die Luft von der unerträglichen Hitze flimmerte. Im Schutz der Erde und mit der Symphonie der Geborgenheit, war es zu ertragen.
Sie hoffte, der Abend brach bald an. Dann würde ihre Mutter aus ihrem dösenden Zustand erwachen und sie begaben sich auf die Jagd.
Es kribbelte in ihren Fingern, in den Zehenspitzen neben der Wölfin durch den Wald zu streifen. Sie lernte das Pirschen, welcher Hasenbau lohnenswert ist. Rannte Glühwürmchen hinterher.
Tagsüber war es ihr verboten. Es gab zu viele Räuber, die es auf sie absahen. Andere Wölfe. Fallen der Menschen. Aus diesem Grund blieb sie in der Höhle.
Ihre Gedanken schweiften an solch langweiligen Tagen ab. Sie fragte sich zum hundertsten Mal, warum sie sich in ein fellloses Wesen veränderte. Vage Erinnerungen bewiesen ihr, dass sie mit einem Pelz am Leib geboren war und auf allen vieren die Welt eroberte. Von einem Tag auf den anderen war sie kein Wolf mehr.
Der Grund war ihr schleierhaft. Selbst ihre Mutter hatte keinerlei Erklärung. Der Verlust ihrer Wolfsgestalt zwang sie, gemeinsam das Rudel zu verlassen. Man jagte das Wolfsjunge, das keines mehr war, davon. Beschimpfte es, verflucht zu sein.
Ihre Mutter war die einzige, die an ihrer Seite blieb. Die einen neuen, abgelegenen Unterschlupf fand, um sie weiter großzuziehen und zu beschützen.
Behutsam, um ihre Mutter nicht zu wecken, setzte sie sich auf, schlang ihre Beine zum Schneidersitz und legte den Kopf zur Seite.
Ein dumpfes Stampfen, vermischt mit unterschiedlichen Stimmen weckte ihre Neugierde.
Diese Geräusche gehörten nicht in den Wald. Sie kannte es vom nahe gelegenen Bauerndorf, das ihre Mutter gelegentlich aufsuchte.
Ihre winzigen Finger berührten das graue Fell ihrer Mutter. Sie drückte gegen deren Schulter, woraufhin die Wölfin erwachte. Ruckartig hob sie ihren massigen Kopf.
»Was ist Tarija, mein Schatz«, hallte die sanfte Stimme in ihrem Kopf. Tarija deutete mit ausgestrecktem Finger zum Eingang.
»Da ist ein Geräusch der Menschen. Wieso sind sie im Wald?«
Die bernsteinfarbenen Augen der Wölfin richteten sich zum Höhleneingang. Ihre Ohren stellten sich auf, um zu lauschen.
Tarija beobachtete das Muskelspiel unter dem Fell, während sich die Wölfin erhob, ausgiebig streckte, bevor sie zum Eingang trottete.
In der runden Öffnung blieb sie stehen. Sie reckte ihre Nase in den Wind, schnupperte, ehe sie kurz nach draußen trat. Ein paar Herzschläge stand sie vor der Höhle, bis sie zu Tarija hereinkam. Ein sanftes Lächeln zeigte sich in ihren wölfischen Zügen.
»Das sind Pferde, die einen Wagen der Menschen ziehen. Es braucht dich nicht zu beunruhigen. Sie sind fernab von unserer Höhle und somit keine Gefahr.«
Mit einem Seufzer ließ sich die Wölfin neben ihr nieder. Sie schleckte mit der rauen Zunge kurz über ihre Wange und bettete den Kopf auf die Vorderpfoten. Ein wenig beruhigt, jedoch immer noch von Neugierde erfüllt, lehnte sie sich an die Schulter ihrer Mutter. Tarija lauschte weiterhin diesen Geräuschen. Verträumt spielten ihre Finger mit dem langen Halsfell des Muttertieres, ehe sie sich, müde werdend an die kuschlige Flanke schmiegte.
Sie bemerkte eine Anspannung unter ihrem Kopf, blinzelte und sah in die Augen ihrer Mutter. Die betrachtete sie über die Schulter hinweg mit einem sanften Blick. Dieser veränderte sich innerhalb eines Lidschlages und wechselte zu einem bedenklichen Ausdruck.
»Man hört die Menschen nicht oft in dem Teil unseres Waldes, da sie sich fürchten, so wie wir uns vor ihnen ängstigen. Hüte dich. Du siehst aus wie sie, trotz alledem weiß keiner, wann du dich wieder zum Wolf verwandelst. Ich rate dir, meide die Menschen, wo es nur geht. In der wahren Form werde sie dich wegen deines Felles jagen, das vergiss nie!« Sanft stupste die Wölfin sie mit ihrer feuchten Nase an die Wange. »Nun versuche, zu schlafen, damit du für die Nacht ausgeruht bist.«
Müde nickte sie, schloss ihre Lider und versuchte Schlaf zu finden. Anhand der Bewegungen, die sie unter sich spürte, wusste sie, dass ihre Mutter den Kopf auf die Vorderpfoten legte. Indes horchte sie auf die Geräusche, bis sie in einen Dämmerschlaf verfiel.
Ein harsches »Brr« hallte an ihre Ohren und riss sie aus ihren Träumen. Irritiert brauchte sie einen Moment, bis sie das Vibrieren unter ihren Händen bemerkte. Sie setzte sich erschrocken auf, gleichzeitig war sie hellwach.
Ein Blick zu ihrer Mutter genügte, um zu wissen, dass etwas nicht stimmte. Die Wölfin zog ihre Lefzen hoch. Ihr Nackenfell sträubte sich und ein tiefes Knurren drang aus ihrer Kehle. Sie sah alarmiert zum Höhleneingang.
»Hinter mich«, kläffte die Stimme ihrer Mutter in ihren Gedanken. Sie kam dem ohne zu zögern nach. Auf allen vieren kletterte Tarija über den Rücken der Wölfin und drückte sich gegen die Höhlenwand.
Ihre Mutter erhob sich sofort, trat einen Schritt auf die Öffnung zu, um ihren geschmeidigen Körper vor sie zu platzieren. Ihr Knurren nahm einen dunkleren, bedrohlicheren Ton an.
Ihre Angst wuchs ins Unermessliche. Wieso versetzte dieser Laut ihre Mutter in Alarmbereitschaft?
Schwere Schritte näherten sich der Höhle. Laub raschelte, Zweige knackten und Tarijas ganzer Körper war gelähmt. Sämtliche Härchen standen ihr zu Berge.
Der Eingang verdunkelte sich. Sie versuchte, über den Rücken ihrer Mutter nach vorne zu schauen. Erschrocken starrte sie den gewaltigen Schatten an, der sich vor den Eingang der Höhle schob. Sie schlug ihre Hände auf den Mund, um nicht zu schreien. Tarija war sich im Klaren, dass sie keinen Laut von sich geben durfte.
Sie rollte sich zusammen. Oft ermahnte ihre Mutter sie und erklärte ihr, wie sie sich bei Gefahr verhielt. Egal ob es sich um ein anderes Raubtier handelte oder wie jetzt, um einen Menschen.
»Hier ist ein Wolf und … wartet! Dahinter ist irgendwas! Ich brauch einen Speer!« Der Mensch verschwand und Licht durchflutete die Höhle.
»Bleib dicht hinter mir! Vielleicht erhalten wir eine Möglichkeit zu fliehen.« Ihr entging die Panik in der Stimme ihrer Mutter nicht, die sich sofort auf sie übertrug. Als der Mensch wieder die runde Öffnung blockierte, blieb Tarijas Herz fast stehen.
In seinen Händen hielt er einen halblangen Holzstab, dessen vorderes Ende in der Sonne blitzte. Die Entscheidung ihrer Mutter, sie immer wieder zu dem nahe gelegenen Dorf mitzunehmen half ihr. Dadurch hatte sie mehr über die Menschen gelernt. Ihr Verhalten. Die Dinge, die sie benutzten, und vor allem ihre Sprache, da sie jedes Wort verstand.
»Scheiße! Da ist ein Kind hinter dem Wolf! Rasch …«
Hektik brach vor der Höhle aus. Der Mensch zielte mit dem Speer auf ihre Mutter und im gleichen Moment fing sie zu zittern an. Ihre Mutter knurrte bedrohlicher, fletschte die Zähne und schirmte sie vor den Menschen ab. Kalter Schweiß rann ihr die Wirbelsäule entlang. Mit aufgerissenen Augen beobachtete sie das Geschehen.
Das Nackenfell ihrer Mutter sträubte sich. Sie trat einen Schritt auf den Menschen zu, der sofort den Speer in ihre Richtung warf. Mit einem entsetzten Aufschrei sah Tarija ihre Mutter taumeln, nachdem sich der Speer in deren Seite bohrte.
Von Pein erfüllt, heulte ihre Mutter auf, was Tarija durch Mark und Bein fuhr.
Verzweiflung vermischte sich mit Schrecken. Die Lähmung fiel von ihrem Körper ab. Sie vollführte einen Satz nach vorne zu ihrer Mutter. Tarija sah das Zittern der Läufe, die anfingen unter dem schmerzgeplagten Leib nachzugeben.
Tränen rannen Tarija in Strömen über die Wangen. Sie schlang ihre Arme um den Hals der Wölfin und schluchzte. Tarija vergrub mit einem Wimmern ihr Gesicht in dem weichen Fell, während die Stimme des Menschen gedämpft an ihre Ohren drang.
»Verdammt helft mir, bevor dem Kind was geschieht!«
Verflucht waren die Menschen blind? Sahen sie nicht, dass sie nicht in Gefahr war? Alles um sie herum versank im Chaos. Ihre ganze Welt, zerstört innerhalb weniger Herzschläge. Aus der Symphonie der Geborgenheit entwickelte sich eine Dissonanz der Gewalt.
Die Läufe der Wölfin gaben endgültig nach und mit einem weiteren schmerzverzerrten Jaulen brach ihre Mutter zusammen. Ihr Blick fiel auf den Speer. Eine Welle der Furcht raste durch ihren Körper. Sie war gezwungen, den Speer herauszuziehen, um ihrer Mutter zu helfen. Ihre Hände umfassten das Holz und mit all ihrer Kraft, die sie aufbrachte, versuchte sie den Speer herauszuziehen. Die Spitze blieb stecken, rührte sich nicht, sondern sorgte dafür, dass ihre Mutter erneut vor Schmerzen aufheulte.
Panik durchfuhr sie. Mit geweiteten Augen ließ sie schnell den Speer wieder los.
»Ich probiere sie abzulenken, mein Kind. Versuche zu fliehen und finde deinen Vater! Er beschützt dich.« Mit diesen Worten richtete ihre Mutter sich auf und keuchte vor Schmerzen. Ihr Körper brachte die Kraft nicht mehr auf. Entsetzt sah Tarija zu, wie das Leben aus dem Leib ihrer Mutter floss.
Sie schlang erneut die Arme um den Hals der Wölfin, vergrub ihr tränennasses Gesicht im Fell. Von Neuem tastete sie nach dem Speer, fühlte etwas Warmes, Klebriges an ihren Fingern und schreckte empor. Sie schaute zu der Stelle, dort wo der Speer im Fleisch steckte. Tarija sah mit an, wie der rote Lebenssaft das Fell ihrer Mutter durchtränkte. Sie schrie. Eine krallenbewehrte Hand presste ihr Herz zusammen, als ihr klar war, was das bedeutete. Tarija bemerkte aus dem Augenwinkel, dass der Mensch bei ihrem Heulen kurz zuckte, da sie wie ein Wolf jaulte.
All den Mut, den sie tief in sich drinnen fand, sprang sie auf und packte energisch den Speer. Sie zog, während das Jaulen ihrer Mutter Tarijas Blut gefror. Der Speer bewegte sich kein Stück. Dann packten Hände sie an der Hüfte. In dem Moment erkannte Tarija, dass sie im Kampf mit dem Speer näher am Eingang kniete.
Der Mensch zerrte sie aus der Höhle.
Sie schlug und trat um sich. Ein bedrohliches Knurren, tief aus ihrer Brust, drang an die Oberfläche. Ihr Körper bebte. Der Druck um ihr Herz nahm zu, gleichermaßen die Verzweiflung über ihre Hilflosigkeit. Sie wand sich wie ein Fisch, nachdem sie bemerkte, dass der Mensch sie von ihrer Mutter wegzog. Unablässig sah Tarija zu ihr, beobachtete die Wölfin, die ihre Pfoten in den Boden stemmte und aufstand. Mit einem entkräfteten Jaulen sackte sie zusammen. Tarija hielt den Atem an. Sie biss sich auf die Lippen, während Tränen wie Sturzbäche an ihren Wangen hinab liefen.
»Flieh, mein Kind! Flieh! Such deinen Vater«, schrie ihre Mutter. Sie wehrte sich verbissener und schlug ihre Fingernägel in die Haut des Menschen, der sie mit einem Schrei losließ. Augenblicklich packte er erneut ihre Handgelenke.
Sie stemmte ihre Füße in den Boden, drückte sich weg von ihm. Jedoch hielt er sie beharrlich fest. Er zog und zerrte sie zum Eingang, weg von ihrer Mutter.
»MAMA! MAMA, hilf mir!«
Gleißendes Sonnenlicht stach wie Nadelspitzen in ihre Au-gen, ließ sie heftig blinzeln. Ihr Geschrei nahm einen schrilleren Ton an. Ihre Stimme überschlug sich.
Nachdem sich ihre Augen an das Licht gewöhnt hatten, starrte sie in das Gesicht eines anderen Menschen, der sie verdattert musterte.
»Was ist mit dem Kind los? Das gebärdet sich wie ein ungebändigtes Tier.« Um dies zu bestätigen, fauchte sie den Bärtigen an, woraufhin er einen Schritt zurücktrat. Der Rothaarige neben ihm, der sie eisern festhielt, lachte kurz auf.
»Scheint es zu sein. Am besten wir bringen sie erst einmal ins Dorf.« Der Bärtige nickte, schritt um sie herum, umfasste grob ihre Oberarme und drückte ihren Leib gnadenlos an seinen. Sie strampelte, trat ihm mehrmals an die Knie, allerdings ließ sie nicht los.
»Du kleines Miststück! Halt endlich still!«
Der Griff um ihre Arme zog sich wie eine Schlinge zu. Tarija schrie ihren Schmerz hinaus.
»Ziemlich wild die Kleine.«
»Das kannst du laut sagen. Verdammter Mist! Sie hat schon wieder mein Knie getroffen. Warum muss ich sie eigentlich festhalten?«
Der Rothaarige vor ihr ließ ihre Hände los, worauf sie mit den Fingernägeln nach ihm schlug, ohne Erfolg. Der Bärtige hielt sie unnachgiebig fest. Gab ihr nicht die Gelegenheit, ihre Arme zu heben. Allein ihre Füße konnte sie nutzen. Sie fing an, heftiger zu strampeln.
»Scheiße! Hilft mir mal jemand!«
»Ach komm. Du wirst doch wohl mit einem Kind fertig.«
»Hast du überhaupt eine Ahnung, wie weh das tut, wenn sie tritt?«
»Dann bring sie zum Wagen und sperr sie ein.«
Sie erhaschte einen Blick zur Höhle. Ihr Herz geriet ins Stolpern, ihre Kehle schnürte sich zu, während sie beobachtete, wie ein Mann in die Höhle kroch.
»MAMA! MAMA!« Sie erhielt keine Antwort. Wie auch.
Mit tränenerstickter Stimme sah sie mit an, wie man ihre Mutter, mit Seilen um die Vorderpfoten, herauszerrte. Der Anblick des erschlafften Körpers, ließ Tarijas Herz in Tausende von Splitter zerbrechen.
Starr vor Entsetzten sah sie in die geöffneten bernsteinfarbenen Augen, denen jeglicher Glanz von Leben fehlte. Das graue Fell, war, um den Speer herum, durchdrängt vom roten Lebenssaft. Die Gewissheit, dass ihre Mutter Tod war, raubte ihr die Geborgenheit, die die Wölfin ihr gegeben hatte.
Wieder bäumte sie sich auf, hatte vor sich loszumachen, wegzulaufen, zu ihrem Vater zu fliehen. Was ihr nicht gelang. Sie war unfähig, einen Laut von sich zu geben. Ihre Kehle war zugeschnürt. Das hinderte sie nicht daran, ihren Peiniger mit den Füßen zu traktieren. Ihre Nägel waren nicht zu gebrauchen, aber sie besaß noch andere Möglichkeiten, sich zu wehren.
Ihre Lippen zogen sich nach oben und sie fletschte die Zähne in Richtung der Menschen, die Hand an ihre Mutter legten. Sie erhielt keine Gelegenheit, einen von ihnen zu beißen.
»Bring das Balg endlich in den Käfig!«
Ein entrüstetes Schnauben drang an ihre Ohren, dann trug man sie weg. Keiner der anderen beachtete sie mehr oder reagierte auf ihr unnatürliches Gebaren. Selbst ihr Zähnefletschen würdigten sie keines Blickes. Das Interesse der Menschen galt rein der Wölfin.
Einer riss den Speer aus dem toten Körper. Tarija jaulte auf. Ihre Wangen waren von den Tränen aufgeweicht. Sie zitterte durch die Kälte, die sich von innen heraus ausbreitete.
Ein weiteres Mal bäumte sie sich mit allem, was sie aufzubieten hatte, auf. Gleichzeitig erkannte sie, dass ihre Kraft sie verließ. Sie gab nicht auf.
Ihr Körper allerdings, ließ sie im Stich. Eine bodenlose Leere folgte der Kälte in ihr. Verdunkelte ihre Gedanken und allmählich erschlaffte sie in den Händen des Menschen. Das letzte bisschen Mut schwand aus ihr. Wieso wehrte sie sich noch? Jetzt da alles zu spät war. Es keine Möglichkeit mehr gab, sich zu befreien. Warum töteten die Menschen sie nicht ebenfalls, dann wäre sie wieder mit ihrer Mutter zusammen.
Vor ihr tauchte ein merkwürdiger Wagen auf. Sie kannte nur die Karren der Bauern, die damit Getreide und andere Lebensmittel transportierten. Auf diesem Gefährt war ein Behälter aus silbrig, dicht sitzenden Ästen. Er strahlte etwas Bedrohliches aus.
Ihre Nackenhaare richteten sich auf. Unbarmherzig schubste der Mensch sie in den Kasten hinein. Er knallte die Tür zu und verschloss sie, wobei er sich mehrmals vergewisserte, dass die Tür zu war. Unter sich fühlte sie unnachgiebiges Holz, während diese harten silberfarbenen Äste ein unheilvolles Gefühl in ihr auslösten. Sie beobachtete den Menschen, der mit beiden Händen einen schwarzen Stoff packte und diesen über den Behälter zog, bis vereinzelte Sonnenstrahlen hereindrangen. Nach einigen Lidschlägen herrschte eine erdrückende Hitze und erschwerte ihr das Atmen. Entmutigt legte sie sich hin, zog ihre Knie bis zum Kinn. Sie umschlang sie mit den Armen, um sich zu einem Knäuel zusammen zu rollen, ehe sie die Augen schloss. Das Zwielicht spiegelte ihren Zustand wider. In ihrem Inneren herrschte eine abgrundtiefe Düsternis. Das Gefühl der Liebe, der Geborgenheit war mit ihrer Mutter gestorben. Ihre Mutter. Der Gedanke an sie entlockte ihr wieder ein leises Wimmern.
Was passierte? Kam auf sie zu? Was hatten diese Menschen vor?
Ihr blieb nichts übrig, außer auszuharren und darauf zu warten, was mit ihr geschah.
Ihr idyllisches Leben, zerstört innerhalb von wenigen Augenblicken. Was für ein Leben fing nun für sie an? Würde sie weiterleben? Über ihr Winseln hinweg, nahm sie gedämpft die anderen Geräusche wahr. Sie hörte, dass mit einem feuchten Laut etwas auf den Wagen landete und fing an heftig zu schluchzen. Sie roch das Blut und ihr war klar, was es war. Der tote Körper ihrer Mutter. Gleich darauf neigte sich der Wagen dezent zur Seite.
Schwere Schritte ließen das Holz erbeben, auf die ein Seufzer, zugleich das Rascheln von Stoff folgten. Das Knallen der Peitsche, ließ sie zusammenzucken, dann schnalzte einer der Menschen und mit einem harten Ruck setzte sich der Wagen in Bewegung.
Sie lauschte den Schritten der Pferde, die das Moos dämpfte. Das Knarren und Ächzen, wenn der Wagen über Unebenheiten rollte, ebenso das nervöse Schnauben der Pferde, die offenbar die tote Wölfin und sie witterten. Jedes dieser Geräusche brannte sich in ihre geschundene Seele. Durch den Spalt, unter dem Tuch hindurch, erkannte sie die Menschen, die neben dem Wagen einhergingen. Es kümmerte sie nicht, trotz allem lauschte sie den Gesprächen.
»Die Kleine ist sonderbar. Habt ihr je so ein Kind gesehen?«
»Nein. Hast du bemerkt, wie sie die Zähne gebleckt hat. Wie der Wolf …«
»Unheimlich. Hoffentlich hilft uns Baldur, wobei ich glaube, dass der Alte nicht begeistert ist, wenn er den toten Wolf sieht.«
»Ach, lass den Alten! Wir haben ein bildhübsches Fell erbeutet und einen Wolf weniger, der unsere Schafe reißt.«
Jagdbeute. Ihre Mutter und sie waren nur Jagdbeute.
Trotz der Hitze zitterte sie. Tarija schlang ihre Arme dichter um die Knie, schloss Augen und Ohren, da sie nichts mehr von dieser Welt hören wollte. Sie versank in die Leere, die sich in ihr ausgebreitet hatte, während der Wagen unaufhörlich über den Waldboden polterte. Immer wieder rissen Schmerzen sie aus dieser Gleichgültigkeit, wenn das Gefährt durch eine Unebenheit fuhr und sie gegen die harten Äste prallte. Sie fühlte den Schmerz nicht richtig, wenn sie in ihre Lethargie versank.
Nie wieder würde sie die Harmonie der Geborgenheit fühlen. Die Welt, in der sie behütet von ihrer Mutter gelebt hatte, gab es nicht mehr. Man hatte sie auf brutalste Art und Weise von ihrer Mutter getrennt. Die Wölfin vor ihren Augen getötet. Sie aus ihrer Umgebung gerissen. Man brachte sie weg. Weg von dem Ort, an dem sie aufgewachsen war. Jenem, indem sie das Jagen von ihrer Mutter, und eins mit der Natur zu sein, gelernt hatte. All das gab es nicht mehr. Aber wer half ihr jetzt?
Zum ersten Mal in ihrem Leben fragte sie sich, was nun aus ihr wurde. Wie das neue Leben in der Fremde aussah?
Ein heftiger Ruck durchfuhr den Wagen, schleuderte sie hart gegen die Äste, was sie zu einem schmerzhaften Jaulen veranlasste.
Nachdem der Schleier aus Schmerzen wieder verschwunden war, bemerkte sie, dass sie am ganzen Körper zitterte. Die Arme um die Knie geschlungen, rollte sie sich erneut ein. Sie versank in die Tiefe ihrer Seele, als ein Gewirr von Stimmen zu ihr heran wehte.
Sie hatte nicht vor zuzuhören, wenngleich ihre Neugierde obsiegte. Durch den Schlitz in Bodennähe, durch den das Sonnenlicht hereinfiel, versuchte sie etwas von der neuen Umgebung zu erkennen. Sie sah Schatten, die sich hin und her bewegten, ehe eine verärgerte Stimme zu ihr Drang.
»Wart ihr törichten Idioten wieder im Wald und habt Wölfe gejagt!« Der zornige Unterton war nicht zu überhören. Die Stimme kam näher, bis sie den dazugehörigen Schatten erspähte.
»Wie oft soll ich es euch sagen! Ihr habt die Wölfe in Ruhe zu lassen!«
Behutsam rutschte sie näher an die harten Äste, linste durch den Schlitz, dabei sah sie einen älteren Menschen mit grauem Haar und langem Bart. Er fuchtelte mit den Händen, was den dicklichen Mann zurückweichen ließ. Gleich darauf baute sich ein hünenhafter, schlanker Kerl vor dem Grauhaarigen mit vor der Brust überkreuzten Armen auf.
Der Schlanke brummte provokant: »Na und! Was weißt du schon über diesen Wald! Wenn wir nicht wieder gejagt hätten, wäre das Mädchen vielleicht tot!« Er löste seine Arme und deutete in ihre Richtung, weswegen sie mehr in die Mitte ihres Gefängnisses rutschte.
»Wir haben sie in einer Höhle gefunden, bei diesem Wolf. Was hätten wir deiner Meinung nach tun sollen? Zwar haben wir sie in den Käfig gesperrt, aber nur, weil sie sich wie ein Wolf benimmt. Hätten wir sie etwa zurücklassen sollen?«
Käfig, so nannte man das Ding. Diese Feststellung verflog in dem Moment, indem ihr Blick auf den leblosen Körper ihrer Mutter fiel. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Die Seite der Wölfin war vom Lebenssaft durchtränkt, die bernsteinfarbenen Augen starrten ins Leere. Ein Anblick der Tarijas Körper erschütterte.
Ein Schluchzer kroch in ihr empor, den sie mühsam unterdrückte, auch wenn es ihr nicht immer gelang. Zu immens saßen der Schmerz, die Angst und die Ungewissheit. Vernebelten ihre Gedanken, weswegen die Stimmen gedämpft an ihre Ohren drangen.
»Welches Mädchen? Wovon redest du?«
»Schau nach. Ein Kind, vielleicht vier Sommer, ohne jegliche Kleidung und ziemlich verwahrlost.«
Schritte, die müde über den Boden streiften, näherten sich dem Käfig. Sie schlang ihre Arme um die Knie und verbarg ihr Gesicht dazwischen. Ein Lichtstrahl kitzelte ihre Lider. Tarija hatte nicht vor hinzusehen. Allerdings ließ die Vernunft sie im Stich, weswegen sie sachte den Kopf hob. Sie blinzelte ein-, zweimal, bis sich der Schleier vor ihren Augen auflöste. Auf der anderen Seite des Käfigs stand der ältere Mensch. Sein Gesicht war von ein paar Falten überzogen und sein ergrautes Haar schimmerte im Licht, wobei rehbraune Augen sie entsetzt betrachteten. Seine Hand fuhr zu dem Schloss. Bevor er es ergriff, fing ihre Brust an zu vibrieren. Sie stieß, am ganzen Leib zitternd, ein Knurren aus, das ihre Angst zeigte. Aus diesem Grund kräuselte sie ihre Lippen, um die Zähne zu fletschen.
Der Alte hielt sofort in der Bewegung inne, wobei sie ihn fixierte. Tarija sprang blitzschnell auf die Füße. Mit einem katzenhaften Satz katapultierte sie sich in seine Richtung und prallte schmerzhaft gegen die harten Äste. Benommen schüttelte sie kurz den Kopf, um gleich darauf nach ihm zu schnappen.
»Was habt ihr dem Kind angetan?« Erschrocken wich der Alte zurück, ließ den Stoff fallen, sodass sie wieder von Zwielicht umhüllt war. In der Mitte des Käfigs legte sie sich auf die Seite und schielte durch den Schlitz hindurch. Sie beobachtete den Alten, der aufgebracht zu dem Schlanken stampfte.
Ihr ganzer Körper zitterte durch die Anspannung, die sie zum Vorpreschen veranlasst hatte.
»Ihr Narren! Was habt ihr nur angestellt?! Habt ihr die kleinste Ahnung davon, was das für ein Kind ist? Ihr hättet sie bei den Wölfen lassen sollen!«
Der Schlanke zischte ihm entrüstet entgegen: »Damit sie stirbt? Verdammt, das ist ein Kind …«
»Ist sie NICHT! Sie sieht nur aus wie ein Kind. Wenn ihr meinen Geschichten mehr Aufmerksamkeit schenken würdet, dann wüsstet ihr, was sie ist!«, bellte der Alte dem Schlanken entgegen. Seine Worte erweckten wieder ihre Neugierde. War es möglich, dass der Alte wusste, was sie war?
»Ach du mit deinen albernen Geschichten. Nur die Kinder glauben an solchen Blödsinn. Sie ist ein Kind, nicht eines deiner …«
Der Alte schnaubte.
»Wenn sie nur ein Kind ist, habt ihr euch Gedanken darüber gemacht, wer sie aufnimmt, und sie aufzieht?«
In den Gesichtern der Männer zeigte sich Ratlosigkeit.
»Natürlich! Das war mir sofort klar. Wie sollte es anders sein mit euch Idioten.« Behäbig kam er wieder auf den Käfig zu und ihr Knurren verstärkte sich mit jedem seiner Schritte. Er hielt inne, dabei drehte er sich zu den Jüngeren um. »Wenn ich einen von euch noch einmal bei der Wolfsjagd erwische, lernt ihr mich kennen. Was das Mädchen angeht. Da ihr nicht fähig seid, sie bei euch aufzunehmen, werde ich mich um sie kümmern.«
Ein paar der Jüngeren zogen die Köpfe ein, nur der Schlanke blieb aufgerichtet stehen und starrte den Alten wütend an.
»Bevor du Wurzeln schlägst, Towin! Hilf deinen Männern, den Käfig in mein Haus zu tragen. Dann macht, dass ihr nach Hause kommt!«
Die Ersten flüchteten bereits.
»HALT! Ihr bleibt mal alle schön hier«, schnauzte der Schlanken. Manch einer blieb stehen, kam zurück, während andere das Weite suchten.
»Ihr seid alle verdammte Feiglinge! Das wird noch ein Nachspiel haben! Die anderen, los! Bringen wir den Käfig rein.«
Tarija beobachtete durch einen schmalen Spalt, dass einige der Schatten auf den Käfig zukamen. Sie ergriffen die Ecken, um ihr Gefängnis über das Holz des Wagens zu schieben. Dann trugen sie ihn, mit Gestöhne und Geächze zu einem der Gebäude, wobei der Käfig heftig schwankte.
Immer wieder fiel sie gegen die Äste, spürte, wie ihr ganzer Körper ein Quell des Schmerzes war und sie einmal hart mit dem Kopf aufschlug. Sterne tanzten vor ihren Augen, ihr Blick trübte sich, woraufhin eine Ohnmacht sie überwältigte.