Ich hole hier mal was GANZ Altes aus dem Keller ...
Die Romantasy-Welle ist immer noch nicht abgeebbt. Noch immer verschlingen junge und ältere Mädchen Geschichten über unsterbliche, übermenschliche Liebhaber, die JEDE kriegen könnten, aber sich natürlich für die unauffällige, langweilige (oder sich dafür haltende) Protagonistin entscheiden. Genau genommen verfällt der unglaubliche Liebhaber der Prota rettungslos.
So etwas ist ein Suchtmittel für Frauen, die von einer so einmaligen Liebe ebenfalls träumen. Das finde ich nicht verwerflich, immerhin bin auch ich ein älteres Mädchen, das Twilight mit Genuss gelesen hat, wenn auch im vollen Bewusstsein des Kitsches. Warum auch nicht? Auch "Casablanca", "Romeo und Julia" und "Cyrano de Bergerac" thematisieren diese besondere Liebesgeschichte. Frauen mögen nun mal Kitsch und sitzen mit Tränen in den Augen und einem Glas Sekt in der Hand in der Badewanne, um sowas zu lesen. Wenigstens viele von ihnen. Zumindest manchmal
. Und solange es diese Nachfrage nach Kitsch gibt, solange genügend potentielle Leser(innen) bereit sind, Geld dafür auszugeben, wird welcher angeboten werden.
Was wirklich ärgerlich ist, ist, dass es scheinbar nichts anderes mehr gibt. Dass die wenigen Verlage, die es nur noch gibt, die zu veröffentlichenden Manuskripte ausschließlich danach auswählen, was gerade ge-hype-t wird. Noch vor dreißig Jahren gab es dutzende von unabhängigen Verlagen. Jeder musste sich nach seiner Nische, nach seiner Zielgruppe orientieren. Etliche von ihnen waren auf SciFi und Fantasy spezialisiert, oder hatten entsprechende Abteilungen, so dass man nur nach einer bestimmten Cover-Gestaltung oder dem Verlags-Logo auf dem Buchrücken schauen musste, um in der Buchhandlung Interessantes zu finden. Zum Beispiel Heyne-Verlag oder Goldman. Die Verlagslandschaft war bunt und vielfältig.
Aber diese unabhängigen Verlage wurden nach und nach von Konzernen wie Bertelsmann-Random-House aufgekauft, die ein gemeinsames Eingangslektorat für alle unter ihrem Dach vereinten Verlage durchführen. Und wenn Bertelsmann- Random House befindet, dass High Fantasy out ist, dann wird kein einziges der 30 oder mehr abhängigen Labels einen High Fantasy Roman herausbringen, sondern eben nur diesen Mainstream-Sch****. Hinzu kommt, dass diese Großverlage Global Players sind, und dass es für sie billiger und risikoloser ist, ein erfolgreiches englischsprachiges Buch übersetzen zu lassen, als einen unbekannten Autor in Deutschland aufzubauen.
Was kann man dagegen tun?
Als Autor: Sich nicht frustrieren lassen. Das schreiben, wovon man überzeugt ist, und im Zeitalter der akzeptierten Selbstverlage und des E-Books seine Bücher notfalls selber herausbringen und bewerben. Das ist schwierig, aber nicht wesentlich schwieriger, als eine Agentur zu finden, die einen High- oder Social-Fantasy-Roman bei einem Großverlag unterbringt (oder auch nur dazu bereit ist). Noch vor 10 Jahren, als ich an meinem Debüt gearbeitet habe, galt es als no go, wenn ein Autor selber für sein Buch warb. Das sei Sache des Verlages, und Eigenwerbung hatten nur die Leute nötig, die nicht gut genug für einen richtigen Verlag schreiben konnten und auf einen Druckkosten-Zuschussverlag hereingefallen waren. So zu lesen in Autoren-Foren wie Montsegur. Die Zeiten sind glücklicherweise vorbei, spätestens seitdem auch "richtige Verlage" sich zu dem Ansinnen verstiegen, Autoren könnten sich doch mal um ein Crowd-Funding bemühen, oder schon mal x Exemplare vorab verkaufen, damit sich der Druck für den Verlag auch lohnt. Die Grenzen dessen, was als anständig angesehen wird, haben sich verschoben, und heutzutage gibt es sogar einen ehrenvollen Preis für Selfpublisher, den Seraph. Im Internet zu veröffentlichen kostet kaum Geld und kann bei guten, gut korrigierten und lektorierten Werken, die ansprechend und gekonnt beworben werden absolut erfolgreich sein. Heutzutage BRAUCHEN wir die Gunst der Großverlage nicht mehr. Mist verkauft sich allerdings immer noch nicht, unabhängig, wo er veröffentlicht wird. Außer ein bekannter Name oder ein Riesen-Marketing-Budget stehen dahinter.
Als Leser: Die Augen aufmachen. Nicht nur bei Decius, Relay und anderen Buchhandelsketten, die Festverträge mit den Großverlagen über Regalmeter, Sondertische und Abnahmemengen haben, nach deren aktuellen "Bestsellern" suchen, sondern auch in kleinen (zugegeben immer weniger werdenden) Buchhandlungen, auf Buchmessen, auf Fantasy-Treffen und -cons, in Blogs und Fanzines. Beim Kauf auch mal Unbekanntes wagen. Und gute Sachen, gerade die Nicht-Mainstream-Werke, selber bekannter machen.
Niemand kann einem Verkäufer verdenken, dass er Geld verdienen will. Nur so bleibt er finanzstark genug, um weiter im Geschäft zu bleiben. Aber das ist wie im Lebensmittelhandel. Wenn wir als Kunden immer nur beim Discounter kaufen (oder verkaufen), dann bleiben die Delikatessenläden auf der Strecke. Wenn die Verkäufer merken, dass ein lohnendes Käuferpotential für Delikatessen vorhanden ist, werden vielleicht auch mehr davon angeboten. Ansonsten bleibt nur der Anbau im eigenen Garten, wo das möglich ist.