Angst vor dem Tod - ein wirklich interessantes Thema.
Ich habe hier einige Beiträge gelesen, in denen immer wieder mal gesagt wurde, dass der Betreffende grundsätzlich keine Angst vor dem Tod hat - nur ein schmerzhaftes Sterben, oder langes Siechtum mache Angst. Das kann ich sicherlich auch unterschreiben. Trotzdem bin ich mir sicher, dass - bei genauer Betrachtung - auch der Tod selbst, das Aufhören der eigenen Existenz, Angst macht. Ich hab das schon häufiger beobachtet - sogar an mir selbst -, dass sich auch hier die Perspektive im Laufe der Zeit ändert. Als ich noch sehr jung war, dachte ich nicht sehr viel über den Tod nach. Okay, er war mir irgendwie als das unausweichliche Ende meines Lebens durchaus bewusst, aber das war nach meinem Empfinden noch so unglaublich weit entfernt. Es besaß keine unmittelbare Relevanz, und so konnte man gut behaupten, man habe keine Angst davor. Dabei ist diese Einstellung eigentlich recht blauäugig, wenn man bedenkt, wieviel - selbst junge Leute - allein im Straßenverkehr sterben. Doch mit dieser Gefahr lebt man, und man fühlt sich davon ja auch nicht betroffen.
Heute, ich bin aktuell 56, lässt sich nicht übersehen, dass ich auch bei wohlwollender Betrachtung dem letzten Lebensdrittel entgegengehe, wenn ich nicht bereits darin bin. Dieses Wissen lässt mich durchaus heute häufiger über den Tod nachdenken, eben weil er mit jedem Jahr, jedem Tag, einfach wahrscheinlicher wird. Fragt man mich heute, ob ich Angst davor habe, zu sterben, muss ich "ja" sagen. Sicherlich steht die Angst vor langem Leiden, Hilflosigkeit und Schmerzen im Vordergrund, doch auch die Vorstellung und das Bewusstsein der eigenen Endlichkeit ist beunruhigend. Es ist jetzt nicht so, dass mich diese Angst lähmt. Angst ist letztlich ein Gefühl, wie jedes andere auch, und es stellt einfach einen Aspekt unserer Persönlichkeit dar. Sie ist aber unbestritten vorhanden. Ich denke auch nicht, dass es für einen extrem religiösen Menschen einfacher ist. Fragt man mich, ob ich an ein Leben nach dem Tode glaube, kann ich nur antworten, dass ich das nicht weiß - woher auch. Ich gebe aber gern zu, dass ich viel zu gern bereit bin, zu hoffen, dass es etwas nach dem Punkt X geben wird. Man braucht vermutlich schon eine Option auf einen Plan B, selbst wenn es sich später als Selbstbetrug herausstellen sollte.
Was mich am Tod allerdings auch schreckt, ist das, was über die eigene Betroffenheit hinausgeht. Ich bin verheiratet und bin einer von diesen merkwürdigen Menschen, die den statistischen Schnitt von einer 4-jährigen Ehedauer zerstören. In diesem Jahr sind es 30 Jahre und - auch wenn wir Kerle das immer wieder schick finden, die Ehe als lästige Fessel zu bezeichnen - ich würde selbst heute nichts anders machen. Die Formel "Bis der Tod euch scheidet" ist zum Beginn der Ehe zunächst eine reine Floskel, doch sie hat durchaus ihre Bedeutung. Wenn die Ehe hält, ist damit festgeschrieben, dass einer der beiden zurückbleiben wird - irgendwann. Wo schon der Tod beunruhigend ist, ist es die Vorstellung, den Partner allein zurückzulassen, erst recht. Dieses Argument wird umso gewichtiger, je älter die Ehepartner beim Tod eines der beiden sind. Wie schon gesagt, das alles muss einen nicht vor Angst lähmen, aber es ist es Wert, sich damit auch unter diesem Aspekt zu beschäftigen, um zumindest die Chance zu haben, sich darauf vorzubereiten. Wie, und ob, es gelingen kann, muss man abwarten ...
Die Endlichkeit unseres Lebens ist mir erst vor wenigen Wochen leider sehr drastisch bewusst gemacht worden, als ein guter Freund von mir mit 52 Jahren verstarb. Er war bis Februar vollkommen gesund. In diesem Monat hatte er sich zu einem Gesundheitscheck in der Praxis seines Arztes, der ebenfalls ein Freund von mir ist eingefunden. Zu diesem Zeitpunkt war er topfit. Im März flog er mit der Familie in Urlaub und bekam in der Türkei eine dicke Erkältung, die ihn so schwer erwischte, dass er in Antalya ins Krankenhaus musste. Anschließend - wieder in Deutschland - wurder noch mal gecheckt, mit großem Blutbild und allem Drum und Dran. Es war alles in Ordnung.
Einen Monat später meldete er sich aus dem Auto auf dem Weg von Berlin nach Hause ins Ruhrgebiet und klagte über starke Schmerzen in seinem rechten Bein. Er könne gar nicht richtig Gas geben und arbeite schon nur noch mit dem Tempomaten. Unser Freund, der Doc, schärfte ihm ein, besser den Heimweg abzubrechen und das nächste Krankenhaus aufzusuchen. Es könne eine Thrombose sein, und wenn die wandert, würde es gefährlich. Nun, er fuhr trotzdem durch und stellte sich dann aber abends noch im Gelsenkirchener Marienhospital vor. Dort konnten sie keine Thrombose feststellen, und die Schmerzen waren auch zurückgegangen. Allerdings stimmte mit dem Blutbild etwas nicht. Man verlegte ihn ins Uni-Klinikum nach Essen. Dort fand man heraus, dass es Leukämie war - und zwar die aggressivste Form, die jemals diagnostiziert worden war. Obwohl man alles versuchte, wurde sein körperlicher Zustand von Tag zu Tag schlechter. Nach zwei Wochen wurde er in ein künstliches Koma gelegt und nach vier Wochen stellte man seinen Hirntod fest.
Das ist beunruhigend, da kann man erzählen, was man will. Er hatte nie den Hauch einer Chance und hinterlässt eine Frau und eine 17-jährige Tochter. Das würde mir wirklich Angst machen.