Vielen Dank für eure Antworten!
Ich habe mir ein paar Tage Zeit gelassen mit der Antwort, um in Ruhe darüber nachdenken zu können.
kralein schrieb:Aber was ganz anderes. Wie können die entflohenen Gefangenen denn den Herrscher töten? Wie kommen sie an den Herrscher heran? Das erschließt sich mir gar nicht Ein funktionierender Rechtsstaat in einer mittelalterlichen Umgebung? 2939384546 .
Herrscher sind abgeschottet und laufen, nach meiner Vorstellung, Fliehenden nicht einfach über den Weg. Und den Herrscher extra suchen gehen ist in meinen Augen auch problematisch. Die sind ja schließlich nicht auf einer Sightseeingtour sondern auf der Flucht. Jede Minute ist kostbar.
In der Tat, das wäre normalerweise sehr verwunderlich.
Die Begründung ist wie folgt:
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Der Herrscher hatte die Charaktere gefangengenommen, da sie kurz davor einen MacGuffin, den er zur Bekämpfung seines Erzfeindes benötigt, vor seiner Nase wegteleportiert haben. Dabei handelt es sich um eine Maske, die die gängigen Beschränkungen für die Kräfte von Zauberwirkern praktisch aufhebt, allerdings zu dem Preis, dass der Zauberwirker seine Impulskontrolle verliert und seinen übelsten Instinkten nachgibt. Der Herrscher glaubt, der Kampf gegen seinen Erzfeind (einen Untoten) heilige die Mittel. Die Charaktere fürchten, was diese Maske in den Händen des Herrschers anrichten könnte, wenn dieser gänzlich seinen dunkelsten Instinkten nachgeben würde - von denen hat er schließlich vorher schon einige gezeigt.
- Tatsächlich hat der Herrscher es erst einmal mit Verhandlung und Überzeugungskraft versucht - er wollte den Charakteren vor Augen führen, wie gefährlich sein untoter Erzfeind ist. Die wurden durch sein Vorgehen jedoch nur noch mehr davon überzeugt, dass sie mit ihm den Teufel mit dem Beelzebub austreiben würden. Als zivilisierte Lösungen zu nichts führten, überschritt der Herrscher die rote Linie und begann, einige der Charaktere zu foltern, was schließlich dazu führt, dass eine der Personen, die dabei zusehen muss, den Aufenthaltsort der Maske verrät: die Hauptstadt des Nachbarlandes, wo auch die "gute" Königin lebt. Nicht nur das, er presst aus den Charakteren auch heraus, wie er durch die Sicherheitsvorkehrungen der Stadt hindurchteleportieren kann.
- Außerdem verging der Herrscher sich an der Magierin in der Gruppe, die die Maske wegteleportiert hat. Dieses Resultat wurde vorher aufgebaut durch seine Besessenheit von ihr. Er hat wiederholt versucht, sie für seine Sache (den Kampf gegen den Untoten) zu gewinnen, was sie stets abgelehnt hat. Und er hatte eine Konkubine, die ihr sehr ähnlich sah. Bei sexueller Gewalt geht es bekanntlich meistens um Macht; dies war seine Art, sie letzendlich zum "Gehorchen" zu bringen (und ist natürlich bezeichnend für die weitere Charakterentwicklung der Magierin). Auf den Herrscher bezogen ist es vor allem ein weiteres Beispiel dafür, wie er einem seiner übelsten Instinkte / Triebe nachgibt, was "show-don't-tell"t, dass er definitiv nicht der geeignete Träger für diese Maske ist.
- Die Charaktere haben für den Herrscher keinen weiteren Nutzen mehr. Er will sie also hinrichten lassen (und ist anwesend, um sicherzugehen, dass sie tot sind und keine Probleme mehr machen) und dann schnellstmöglich die Maske in seinen Besitz bringen. Doch er weiß nicht von den (wenngleich geringen) magischen Fähigkeiten des Protagonisten. Während die Kräfte der Magierin selbst durch Fesseln unterdrückt waren, hat sie ihm nur einen einzigen Zauber beigebracht - einen Bann, mit dem er ihre Fesseln sprengen kann. Dies gelingt ihm im letzten Moment vor der Hinrichtung, sodass sie das Überraschungsmoment auf ihrer Seite haben. Das reicht jedoch nicht, um ihn zu töten.
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Er flieht, und die Charaktere wissen, dass er nun alle Informationen hat - den Aufenthaltsort und das Wissen für die Teleportation - um sich die Maske noch am selben Tag unter den Nagel zu reißen. Seine Schergen zu schicken käme ihm nicht in den Sinn, denn die sind ja ebenfalls Magier; würde einer von ihnen die Maske aufsetzen, wäre dieser Scherge auf einmal ein Problem für seinen Meister.-
Sie müssen also dem Herrscher nachjagen und ihn stellen, bevor er teleportieren kann. Die Rechtfertigung für seinen Tod ist also "Gefahr im Verzug", wenngleich die Charaktere selbst natürlich auch gleichzeitig von ihren eigenen, niederen Beweggründen (Rachegelüsten) getrieben werden. Um das Klischee zu brechen und Rache nicht wie so viele Fantasygeschichten zu glorifizieren, richte ich es so ein, dass sie diese Rachegelüste aktiv überwinden müssen, um ihn letztendlich besiegen zu können - weil er einen Zauber wirkt, der ihre eigenen negativen Emotionen gegen sie wendet.
Da Teleportation bekanntlich eine Fähigkeit ist, die notorisch Plotholes verursacht, habe ich sie dahingehend abgeschwächt, dass er durch die Sicherheitsvorkehrungen nicht alleine hindurchteleportieren kann - er ist auf einen Magierzirkel angewiesen. Das heißt, er braucht ein paar seiner Schergen, um den Teleport ausführen zu können, doch es wäre immer noch er selbst, der durch das Portal (Raumkrümmung) tritt und die Maske als erster in die Finger bekommt.
Hexe schrieb:Ich verstehe noch nicht ganz, wie man überhaupt darauf kommen würde, einen offensichtlich Unschuldigen auszuliefern oder zu verurteilen, wenn das Nachbarland ohnehin Krieg will? Wenn die Königin weiß, dass eine Auslieferung sowieso nichts besser machen würde, warum weigert sie sich nicht einfach und gibt die Gründe an?
Das ist bisher genau die Lösung dieses Konflikts.
Zunächst weiß die Königin nämlich nicht, dass der neue Herrscher im Nachbarland (der Untote, gegen den der alte Herrscher gekämpft hat) ohnehin Krieg will. Das liegt daran, dass sie das Buch dieses Untoten in ihrem eigenen Land zensiert hat und mit seiner Motivation nicht vertraut ist.
Die Charaktere hingegen wissen, dass der Untote alles Leben als Leid betrachtet und es möglichst zeitgleich und schmerzlos für alle Lebewesen beenden will. Das wissen sie deshalb, weil der Herrscher, der gegen den Untoten gekämpft hat, sie ja bekanntlich vorher von seiner Sache zu überzeugen versucht hat. Dazu gehörte auch, dass er sie gezwungen hat, das Buch des Untoten zu lesen. Dieses ist im Heimatland des Herrschers und des Untoten frei erhältlich.
Die Maske eröffnet dem Untoten nun natürlich eine einzigartige Gelegenheit, so viele Leben auf einen Schlag zu beenden wie noch nie zuvor. Zum Glück hat der Herrscher das Wissen, wie er direkt in die Hauptstadt des Nachbarlandes teleportieren könnte, mit ins Grab genommen. Der Untote belebt zwar seine Leiche wieder, um diese Information von ihm zu erhalten. Warum er trotzdem nicht daran gelangt, das hat mit meinem Magiesystem zu tun, das würde jetzt gerade etwas zu weit führen.
Heißt: Weil der Untote nicht wie der Herrscher in die Hauptstadt hineinteleportieren kann, muss er es auf die altmodische Art machen und die Stadt einnehmen. Dazu braucht er eine Armee, und seine untoten Soldaten alleine reichen nicht aus. Er muss also dem Volk einen Grund liefern, gegen das Nachbarland in den Krieg ziehen zu wollen. Der Tod eines geliebten Herrschers kommt ihm da gerade recht - noch dazu, da dieser "geliebte" Herrscher ja sein persönlicher Erzfeind ist.
Durch ihr Wissen um die Weltsicht des Untoten können die Charaktere die Königin davon überzeugen, dass der Kriegsgrund nur vorgeschoben ist und eine Auslieferung nichts am Vorhaben des Untoten ändern wird. Es wäre leicht für ihn, die Torpfosten zu verschieben und den Zorn des Volkes weiter anzustacheln, sodass sie sich mit der bloßen Verurteilung des Mörders ihres geliebten Herrschers nicht zufrieden geben würden, sondern noch weitaus mehr Vergeltung wollen.
Hexe schrieb:wie man überhaupt darauf kommen würde, einen offensichtlich Unschuldigen auszuliefern oder zu verurteilen
Dieses Teilproblem hat nochmal zwei Schichten:
1)
Sind die Charaktere ja wie gesagt nicht so "offensichtlich unschuldig": Sie waren zum Tode verurteilt, sind entkommen, und haben den Herrscher in einer Lage getötet, die nicht im klassischen Sinne Notwehr war (sondern eher "Notwehr im Sinne des Nachbarlandes", weil sie ihn davon abgehalten haben, hineinzuteleportieren und sich die Maske aufzusetzen, woraufhin er dort höchstwahrscheinlich die Kontrolle über sich verloren und Chaos und Verwüstung angerichtet hätte).
2) Selbst, wenn sie das Volk der Königin überzeugen können, dass sie im moralischen Sinne unschuldig sind - und das versuchen sie durchaus; u.a. gelangt die Magierin zu der zynischen Erkenntnis, dass sie ihre Vergewaltigung in dieser Verhandlung instrumentalisieren muss, um die versammelten Bürger emotional auf ihre Seite zu ziehen, was auch gelingt - dann steht die Königin selbst immer noch vor einer Entscheidung aus politischem Kalkül:
Könnte sie wirklich einen Krieg verhindern, indem sie eine einzelne Person bzw. schlimmstenfalls sechs ausliefert, dadurch aber ihr gesamtes Volk schützt, dann scheint es fast unverantwortlich, dies nicht zu tun.Im Bilderbuch-Fantasy würde man zwar glauben, dass das Volk so rechtschaffen ist, dass sie der Königin für solch eine Entscheidung in den Rücken fallen würden. Dann wäre die Entscheidung für die Königin aber sehr schnell klar: Die Charaktere sind unschuldig, ich will sie nicht ausliefern, und mein Volk würde es mir ebenfalls nicht verzeihen, wenn ich zu seinem Schutz unsere Werte verrate.
Aaaaber: Als sie die versammelten Bürger direkt ins Gesicht fragt, ob sie bereit wären, in den Krieg zu ziehen, damit diese sechs Personen nicht ausgeliefert werden müssen - mit anderen Worten:
Würdet ihr euer eigenes Leben für diese euch fremden Personen in einem Krieg aufs Spiel setzen wollen? - breitet sich betretene Stille im Saal aus. Da ist sich dann nämlich doch jeder selbst der Nächste.
Was ein weiterer Grund ist, warum es für die Charaktere so wichtig ist, die Königin davon zu überzeugen, dass der Untote den Krieg sowieso will und ihre Auslieferung daran nichts ändern wird. Hexe schrieb:Ich an ihrer Stelle würde eher versuchen, das Machtvakuum im Nachbarland auszunutzen. Also beispielsweise Gruppen unterstützen, die eine bessere und weniger agressive Regierung wollen. Die "Helden" und Zeugen überall rumtrompeten lassen, wie böse der alte Herrscher war, Geld über die Grenze schicken, sowas halt.
Guter Gedanke!
Leider so gut, dass der Untote ihn schon vor dir und der Königin hatte. Genau das ist nämlich das Problem: Der getötete Herrscher war der letzte Widersacher des Untoten. Hätten die Charaktere ihm die Maske zugespielt, hätte er vielleicht den Untoten besiegen können, wäre dann jedoch seinen menschlichen bösen Instinkten erlegen und hätte sich mit der Maske zum Alleinherrscher aufschwingen können. Das war Teufel-Beelzebub-Szenario 1. Jetzt haben sie also stattdessen den Herrscher getötet - und den Weg für den Untoten freigemacht. Das ist Teufel-Beelzebub-Szenario 2.
Ein komplettes Machtvakuum herrscht im Nachbarland nicht: Der getötete Herrscher regierte lediglich eine von acht Provinzen dieses Landes. Viele der Herrscher der anderen Provinzen hat der Untote vorher schon auf seine Seite bringen können.
Das war ja einer der Gründe, warum der Herrscher unbedingt diese Maske wollte: Er musste seinen Verbündeten - und all jenen, die er als solche gewinnen wollte - einen Grund zur Hoffnung geben, dass er dem Untoten noch etwas entgegenzusetzen hat. Ein Untoter ermüdet bekanntlich nicht so schnell wie ein Mensch. Die Maske hätte ihm die Möglichkeit gegeben, die Balance wieder zu seinen Gunsten zu kippen.
Das heißt, der Untote braucht nun lediglich rasch die Provinz des getöteten Herrschers zu besetzen - und da er aus demselben Land stammt wie dieser, sind seine Truppen viel schneller da als vergleichbare Aktionen der Königin Früchte tragen könnten.
In der Tat gibt es noch eine interne Revolution im Land des Untoten und des getöteten Herrschers: Dieses wird maßgeblich von Magiern regiert, und die Zwerge beginnen, sich dagegen aufzulehnen. Die Königin diese Gruppe (genannt "die Lawine aus Stahl") heimlich unterstützen zu lassen, ist auf jeden Fall ein guter Vorschlag, danke dafür! (Sie erfährt von der Zwergenrevolution, weil der Zwerg, der ursprünglich mit den Hauptcharakteren umherzog, bei deren Gefangennahme nicht mit den anderen in die Festung des Herrschers gesteckt wurde, sondern man hat ihn stattdessen zu den anderen zwergischen Arbeitern gebracht. Es gibt ein kurzes Wiedersehen mit den Hauptcharakteren - sie wollen ihn logischerweise retten, doch er besteht darauf, im Land des getöteten Herrschers und des Untoten zu bleiben, um die Revolution weiter anzuführen, die er begonnen hat.)
Hexe schrieb:
Falls sie nur Angst hat, sofort angegriffen zu werden, wenn sie sich weigert: Das wird nicht passieren. Kaum ein Land ist direkt nach dem gewaltsamen Tod seines Herrschers zu einem Angriff in der Lage, der nicht unmittelbar notwendig ist. Die müssen erst mal ihren internen Machtstruggle bewältigen
Wie gerade beschrieben, der interne Machtstruggle findet statt, ist allerdings aufgrund der nun vorteilhaften Position des Untoten recht schnell geklärt.
Was aber natürlich zum Glück Zeit braucht, ist, die Truppen zu mobilisieren. Das ist vor allem für mein Pacing ein Glück, denn ich will den sich anbahnenden Konflikt ja ein bisschen aufbauen und mich in der Zwischenzeit wieder auf die Entwicklung meiner Hauptcharaktere konzentrieren.
Dass es also nicht sofort zu einem Angriff käme, ist allen Beteiligten klar. Aber sie müssen natürlich fürchten, in eine Abwärtsspirale zu geraten, wo es dann schnell "kein Zurück mehr gibt".