Ylaja schrieb:Es soll grundsätzlich jeder das glauben, was er gerne möchte.
Das sehe ich genauso, aber insbesondere bei der selbsternannten "Scientology Kirche" muss ich das einschränken. Zum Glück habe ich schon sehr lange nichts mehr mit diesem Verein zu tun, aber ich kann mich noch sehr gut an die Schwierigkeiten einer guten Freundin erinnern, die damals auf die "Angebote" dieser Leute eingestiegen ist.
Scientology hatte schon in den 70er Jahren mitten in der Innenstadt von Gelsenkirchen in einer Seitenstraße der Haupteinkaufszone ein Haus angemietet. Niemand wusste damals, wer diese Leute überhaupt waren und was sie wollten. Ich war damals noch recht jung - eben volljährig geworden und somit Zielscheibe für alles uns jeden, der irgendwelche Verträge an den Mann bringen wollte. Auch damals war die Arbeitsmarktlage schon schlecht und die Chancen, für junge Leute, einen vernünftigen Arbeitsplatz zu bekommen, sehr eingeschränkt - insbesondere für jene ohne einen guten Schulabschluss. Das traf auf mich glücklicherweise nicht zu, aber es gab genügend unzufriedene und verzweifelte junge Leute.
Sie waren das Ziel der Werber von Scientology. Sie traten damals völlig unspektakulär und unauffällig in Erscheinung und verwickelten Passanten in Gespräche. Sie waren meist sehr freundlich und sanft, boten Lösungsansätze für Menschen mit Problemen an. Nach einiger Zeit und einigen unverfänglichen Gesprächen luden sie einen zu einem Treffen in dem Haus ein, das sie angemietet hatten. Ich hatte diese Typen immer abgewimmelt, aber eine gute Freundin von mir ging aus Interesse mal mit. Sie war mit einem Freund von mir zusammen und daher sah ich sie häufiger. Irgendwann fiel mir auf, dass sie sich veränderte. Sie ging inzwischen regelmäßig zu den Treffen und Workshops der Scientologen und schwärmte in den höchsten Tönen von den "Lehren" der Scientologen. Sie drängte immer massiver, dass auch mein Freund und ich sie dorthin begleiten sollten. Wir erfuhren, dass die "Workshops" kostenpflichtig waren und so teuer, dass sie nur zu finanzieren waren, wenn sie die Bücher dieser Sekte verkaufte. Potenzielle Kunden sollten erst einmal ihr eigener Freund und ich sein. Inzwischen war sie voll von diesen Leuten vereinnahmt und machte eine Szene, wenn wir diesen Mist nicht kaufen wollten. Sie machte Schluss mit ihrem Freund und teilte uns mit, dass sie demnächst sowieso in die Zentrale nach Köln berufen würde. Ihr ganzes Streben ging nur noch um die "Erleuchtung", die sie dort finden würde.
Wir versuchten indes, etwas über Scientology herauszufinden und erhielten Material über unsere Kirchengemeinde. Diese Workshops dienten nur dazu, den Novizen eine vorläufige Gehirnwäsche zu verpassen, sie dazu zu bringen, weitere teure Kurse zu buchen und sie in die finanzielle Abhängigkeit zu führen. Der Verkauf der Sekten-Bücher lief im Grunde nach dem Tupper-Muster ab. Die Novizen mussten sie von Scientology kaufen und eigenverantwortlich an den Mann bringen. Den Erlös kassierte wiederum Scientology. Schulden abtragen konnte auf diesem Wege niemand. Im Gegenteil: Die Schulden wuchsen allmählich immer weiter an. Unsere Freundin damals konnten wir zum Glück, zusammen mit ihren Eltern, überreden, nicht nach Köln zu gehen. Sie erhielt Hilfe eines Psychologen, sich von Scientology zu lösen, besaß aber inzwischen Massen von Büchern, die sie noch verkaufen sollte. Ich weiß nur noch, dass damals ein Rechtsanwalt eingeschaltet worden ist. Danach verlor sich mein Kontakt ein wenig. Ich weiß aber, dass sie den Absprung geschafft hatte.
Einige Jahre später gelang es den Behörden, Scientology in Gelsenkirchen Unregelmäßigkeiten nachzuweisen und sie zogen sich aus der Stadt zurück. Ihre Zentrale ist aber noch immer in Köln und sie sind inzwischen größer, stärker und viel subtiler geworden.
Scientology ist eine Gefahr und hat nichts mit einer Kirche oder Glauben zu tun.
Jeder Mensch soll glauben, was er gern möchte, aber es muss sein eigener freier Wille sein, der ihn zu diesem Glauben führt - nicht aber "Kurse" oder "Workshops", die nichts anderes sind als massive Angriffe auf die Urteilsfähigkeit junger Menschen.
Gruß
moriazwo