von mira-beckett Fr 15 Feb 2019 - 9:20
Valeska verspürte eine tiefe Enttäuschung darüber, dass Andrej so schnell aufgegeben hatte. Er wäre ein Mensch gewesen, dem sie sich vielleicht hätte öffnen können - mit der Zeit. Sie versank in ihren Erinnerungen an das entbehrungsreiche Leben auf der Straße, als sie an manchen Tagen ihren Körper verkaufen musste, um nicht zu verhungern, und an die gierigen Blicke der Männer, wenn sie ihre Kunststücke in den hübschen Kostümen aufgeführt hatte. Bevor sie eine Münze in Vladimirs Schale geworfen hatten, wollten sie zumindest in ihren Ausschnitt glotzen oder eine Hand auf ihre Haut legen. Was wusste ein Göttersprecher von solch einem Leben? Als sie die Bitterkeit in sich aufsteigen spürte, musste sie Andrej recht geben. Sie war verbittert und hatte es immer verdrängt, in die hinterste Ecke ihrer Seele geschoben, damit sie nicht mehr an diese Tage denken musste. Und dann war sie von Vladimir verraten worden. Ihr einziger Freund, der sie in jener Zeit beschützt hatte, hatte ihre Freundschaft dreingegeben für einen warmen Platz zum Schlafen in ihrem Wagen, für ihr Hab und Gut, dass er weder verdient noch bezahlt hatte. Wo waren da die Götter gewesen? Andrej hatte Unrecht! Es gab Menschen, die übersehen wurden, denn wenn sie sie gesehen hatten, warum hatten sie ihr nicht beigestanden, als ihre Eltern gestorben waren - Bündel aus gebrochenen Knochen, erstickt am eigenen Blut? Dicke Tränen quollen unter ihren gesenkten Lidern hervor. Mit einer wütenden Geste wischte sie sie weg.
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